Obamas raffinierte Klimatricks

Für Wolfgang Pomrehn sind die Vorgaben des neuen chinesisch-amerikanischen Umweltabkommens zu dürftig

  • Wolfgang Pomrehn
  • Lesedauer: 3 Min.

Peking und Washington haben am Mittwoch überraschend eine bilaterale Klimaschutzvereinbarung unterschrieben. Diese sei, so der US-amerikanische Fernsehsender CNN, historisch. Die zwei großen Treibhausgasemittenten würden sich endlich bewegen und damit die Chancen eines neuen Klimaschutzvertrages deutlich verbessern. Nun könne man hoffen, dass auf der übernächsten UN-Klimakonferenz im Dezember nächsten Jahres in Paris tatsächlich ein neues Abkommen unterzeichnet werde.

Aber ist diese Vereinbarung tatsächlich der Durchbruch für den Klimaschutz, für den ein Teil der Medienlandschaft ihn verkaufen will? Zunächst ist festzustellen, dass es sich nur um eine gemeinsame Erklärung beider Länder handelt. Davon abgesehen gibt es in der Welt mit offiziellen Abmachungen unterschiedliche Umgangsweisen: Die US-Regierung kommt schon mal auf die Idee, Verpflichtungen für unverbindlich zu erklären, die zuvor in UN-Konventionen festgeschrieben wurden.

So geschehen zum Beispiel mit einer Vorschrift der UN-Klimaschutzrahmenkonvention von 1992, die von den Industriestaaten verlangt, in einem ersten Schritt ihre Emissionen auf das Niveau von 1990 zurückzufahren. Die USA haben das Abkommen zwar - anders als später das Kyoto-Protokoll - ratifiziert. Sie bestanden aber anschließend in den Verhandlungen über weitere Klimaschutzmaßnahmen darauf, dass der entsprechende Artikel der Konvention nicht völkerrechtlich bindend sei. Also wurden keinerlei Anstrengungen unternommen, den weiteren Anstieg des ohnehin schon hohen Treibhausgasausstoßes einzudämmen. Stattdessen haben sich die USA nach Kräften bemüht, die Verhandlungen mit kontraproduktiven Forderungen an China zu blockieren.

Doch was ist von den versprochenen Emissionszielen zu halten? Die USA haben zugesagt, bis 2025 ihre Treibhausgasemissionen um 26 bis 28 Prozent senken zu wollen. Allerdings bedient sich Präsident Barak Obama dabei eines Taschenspielertricks: Er nimmt - statt wie bisher üblich 1990 - 2005 als Basisjahr, und damit gerade jenen Zeitpunkt, an dem die US-Emissionen des mit Abstand wichtigsten Treibhausgases, nämlich Kohlendioxid (CO2), ihren Höhepunkt erreichten. Gemessen am Niveau von 1990 werden gerade einmal zehn Prozent Reduktion angeboten. Und eigentlich verspricht Obama nur, den bisherigen Trend fortzusetzen. Denn seit Jahren gehen die CO2-Emissionen der USA zurück, weil immer mehr äußerst bedenkliches Schiefergas in Kraftwerken eingesetzt wird und die Kohle verdrängt.

Aber in China sollen die Emissionen bis 2030 sogar noch weiter zunehmen, mag man da einwenden. Das stimmt, und das ist ein Problem. Allerdings sollten die Relationen im Auge behalten werden: In der Volksrepublik wurden 2013 jährlich pro Kopf 7,3 Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Vor zehn Jahren war das gerade halb so viel. In den USA waren es im vergangenen Jahr hingegen 16,7 Tonnen CO2 und in Deutschland noch 9,5 Tonnen CO2 pro Einwohner im Jahr. Und hier wie in den USA läuft das schon seit vielen Jahrzehnten so.

Wie dem auch sei, gemessen an dem, was nötig ist, bewegen sich alle zu langsam. Soll die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden - so haben es erst Anfang November die Wissenschaftler vom Weltklimarat vorgerechnet -, müssen die globalen Treibhausgasemissionen bis 2050 um 41 bis 72 Prozent gesenkt und bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig eingestellt werden. Auf die Erdbevölkerung umgerechnet heißt das, 2050 dürfen nur ein bis 2,2 Tonnen CO2 pro Person emittiert werden.

Gemessen daran kommen die von Washington und Peking versprochenen Vorgaben - wie auch das neue Ziel der Europäischen Union für 2030 (minus 40 Prozent gegenüber 1990) - erstens zu spät. Und zweitens sind sie zu dürftig. Damit wird in Paris wieder nur ein windelweicher Vertrag herauskommen. Ein klares Signal an die kleinen Inselstaaten und all die zukünftigen Opfer von Dürren und Überschwemmungen: Keiner denkt wirklich daran denkt, sie vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

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