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Gummibärchen statt Promille

»Chexxs!« versucht in München Partygänger für das Thema Alkohol zu sensibilisieren

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.
Betrunkene Jugendliche sind am Wochenende auch in der bayerischen Landeshauptstadt keine Seltenheit. Damit die Partys nicht aus dem Ruder laufen, will ein neue Projekt sorgen.

München geht bei jungen Erwachsenen neue Wege der Alkoholprävention. Unter dem Titel »Chexxs!« läuft seit Mitte September ein Pilotprojekt, bei dem junge Nachtschwärmer für ihren Alkoholkonsum sensibilisiert werden sollen. Dazu ist ein dreiköpfiges Team im Auftrag des städtischen Referats für Gesundheit und Umwelt an den Wochenenden unterwegs. Ausgerüstet mit einem Alkomat suchen diese Mitarbeiter das Gespräch auf Augenhöhe. »Das Ziel des Projektes«, so Gesundheitsreferent Joachim Lorenz, »ist die Prävention gesundheitlicher Selbstgefährdung«.

Das Aufklärungsteam - im Rahmen des Projekts »Peers« genannt - umfasst derzeit zehn junge Erwachsene im Alter von 19 bis 26 Jahren. Ausgerüstet mit spezieller Jacke und Tasche sind sie Freitag- und Samstagnacht von 22.30 Uhr bis 3 Uhr auf dem Münchner »Hotspot« zwischen Sendlinger Tor und Maximiliansplatz unterwegs. Mit dabei ist Anne Krüger. Die 21-jährige Studentin der Sozialarbeit berichtet über ihren ersten Einsatz: »Am Anfang war ich schon ein bisschen unsicher. Dann ergaben sich aber sehr gute Kontakte.« Ähnlich ihr Kollege Daniel Daum. Der 20-Jährige studiert Informatik und hat sich für den Job entschieden, weil ihm der positive Aspekt des Projekts gefällt: »Es gibt keinen erhobenen Zeigefinger.«

»Wir wollen dazu beitragen dass Alkohol so genossen wird, dass die jungen Menschen ihn vertragen«, präzisiert Referent Lorenz das Ziel der nächtlichen Aufklärung. Zielgruppe sind dabei junge Erwachsene in der Phase »zwischen dem Vorglühen und dem Alkoholkonsum in den Clubs«, von denen es auf der Partymeile rund zwanzig gibt. Betrunkene oder randalierende Clubbesucher hingegen sind keine Ansprechpartner der Peers. »Sie haben in ihrer Ausbildung gelernt, wen sie ansprechen und welche Situationen sie lieber den Streetworkern oder der Polizei überlassen«, so Lorenz.

Die Peers sind in der Regel Studenten. Ausgebildet werden sie von der Drogenberatungsstelle »Condrobs« und der Stiftung »SehnSucht«. Bei der Ausbildung geht es um dass Wissen um Alkohol - die positiven und negativen Aspekte -, man beschäftigt sich mit der Zielgruppe und übt das Verhalten auf der Straße ein. Etwa, wie man als Dreiergruppe mit einem Dutzend Partygänger umgeht, die um einen herum stehen. »Es geht bei der Ausbildung um einen Einstieg in die Präventionsarbeit«, erklärt Tanja Henlein von »SehnSucht«.

Und wie funktioniert »Chexxs!« vor Ort? Die Peers suchen auf der Straße den Kontakt mit den Partygängern und bieten einen Test mit dem Alkomat an. »Wir wollen keinesfalls moralisieren. Das Ziel heißt Selbstreflexion«, sagt Chexxs!-Mitarbeiterin Krüger. »Viele sind erstaunt, wenn sie ihren Promillegehalt am Alkomaten ablesen«, so ihr Kollege Daum. »Oft sind sie ein wenig erstaunt, wenn der geschätzte Wert geringer ist, als der Messwert.« Es gehe aber keineswegs darum, dass überhaupt nichts getrunken werde. Sondern darum, dass durch das Gespräch die Clique ihren Alkoholkonsum zum Thema macht. Dabei sind die Messergebnisse am Alkomat durchaus moderat, sie liegen in der Regel zwischen 0,5 und 0,8 Promille. Höhere Alkoholwerte seien eher selten. An die 50 bis 60 Tests machen die Peers pro Abend, seit Beginn des Projektes wurden 563 Jugendliche und junge Erwachsene kontaktiert. Wer bei dem Test mit dem Alkomat unter 0,5 Promille bleibt, bekommt eine Belohnung: Krüger hat in ihrer Tasche Gummibärchen, Erdnüsse und Schokolade dabei. »Die größte Belohnung aber ist die positive Bestätigung durch Gleichaltrige«, so die Studentin.

Das Projekt »Chexxs!« wird auch von den Clubs und der Polizei unterstützt und ist Teil der übergreifenden Präventionskampagne der Stadt »Cool bleiben - friedlich feiern in München«. Es schließe, so Gesundheitsreferent Lorenz, eine Lücke im Präventionsprogramm. Das Projekt in dieser Form ist bundesweit einmalig, Erfahrungen wurden damit bisher in der Schweiz gemacht. Er könne sich »Chexxs!« im Übrigen auch auf dem Oktoberfest vorstellen, so der Gesundheitsreferent.

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