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Meißen lagert Erbe aus

Porzellanmanufaktur wird um Stiftung ergänzt - droht nun Verkauf?

  • Hendrik Lasch, Meißen
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsen steckt Millionen in die Porzellanmanufaktur Meißen. Vehikel ist die Gründung einer Stiftung. Kritiker fürchten die Zerschlagung des 304 Jahre alten Unternehmens.

Um Porzellan geht es nur am Rande. Wer Imagefilme der Porzellanmanufaktur Meißen anschaut, sieht Colliers und Kleider, Möbel, Taschen und nackte Haut - und nebenbei auch einige Figuren aus dem »weißen Gold«, das seit 1710 in Meißen produziert wird. Die Filme illustrieren, welchen Kurs deren Geschäftsführer Christian Kurtzke für die Manufaktur auf dem Weltmarkt vorgesehen hat: den eines Luxuskonzerns mit Filialen in Italien und China, für den das Porzellan nur noch ein Artikel unter vielen ist.

Der Freistaat Sachsen, dem die Manufaktur gehört, stützt diesen Kurs jetzt durch einen bemerkenswerten Schritt - indem die Tradition faktisch ausgelagert wird. Wie das zuständige Finanzministerium bekannt gab, wird eine Stiftung gegründet. Zweck seien »der Ankauf, die Pflege, Bewahrung, Ausstellung und Erforschung« der für das Erbe der Porzellanherstellung in Sachsen wichtigen Kulturgüter. Die Stiftung, die aus Steuergeld gegründet wird, soll unter anderem alle Formen für Figuren und Geschirr von der Manufaktur erwerben, die dafür dem Vernehmen nach einen zweistelligen Millionenbetrag erhält. Auch um die Ausbildung der Porzellanmaler und -modellierer muss sich das Unternehmen nicht mehr selbst kümmern. Dafür wird eine Meisterschule zuständig, die unter dem Dach der Stiftung gegründet werden soll. Stiftung und Schule sollen in Meißen ansässig und der Manufaktur »exklusiv« verbunden sein, wie es heißt.

Während Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) auf diese Weise den »Wachstumskurs« der Manufaktur unterstützen will, kommt aus dem Landtag Kritik. Sebastian Scheel, der parlamentarische Geschäftsführer der LINKEN, sieht die Ankäufen durch die Stiftung als »verkappte Erhöhung des Eigenkapitals«. Deutlich werde schon jetzt, dass die Entwicklung in Richtung Luxuskonzern mit »hohen Risiken« für den Haushalt des Freistaats verbunden sei. Scheel äußert zudem einen schwer wiegenden Verdacht: Die Gründung der Stiftung könne nur die Vorbereitung dafür sein, dass die Bereiche Produktion und Marketing verkauft werden - womit der traditionsreiche Betrieb zerschlagen wäre.

Dieser war dem Freistaat in wirtschaftlicher Hinsicht zuletzt eher eine Bürde gewesen. Der Expansionskurs soll durchschnittlich drei Millionen Euro Steuergeld pro Jahr verschlungen haben; Gewinnrücklagen und Kassenbestand sanken. 2011 hatte es noch einen Gewinn von 1,4 Millionen Euro gegeben, im Jahr 2012 wurde ein Minus von 1,2 Millionen erwirtschaftet; neuere Zahlen fehlen. Die Zahl der Mitarbeiter, die zum 300-jährigen Jubiläum noch bei 784 gelegen hatte, ist auf 650 gesunken.

Eine Alternative aber scheint man im Finanzministerium nicht zu sehen - erst recht nicht nach Auswertung eines Gutachtens, das bei den Unternehmensprüfern KPMG in Auftrag gegeben worden war. Eine Folge daraus ist freilich die Einsetzung eines kaufmännischen Geschäftsführers, der Kurtzke an die Seite gestellt wird. Unland wird mit der Äußerung zitiert, Kurtzke solle künftig quasi der Außenminister der Manufaktur sein, sein Kollege ihr Innenminister.

Der Neue, dessen Name nächste Woche bekannt werden soll, muss zudem über diplomatische Fähigkeiten verfügen. Er soll den festgefahrenen Streit zwischen der Manufaktur und der Stadt um die Marke MEISSEN beenden. Die hatte Kurtzke für die Vermarktung der Luxuswaren eintragen lassen. In der Stadt werden Nachteile für andere Firmen befürchtet; Oberbürgermeister Olaf Raschke war wegen des Streits aus dem Aufsichtsrat zurückgetreten. Der Stadtrat will bis Ende 2014 über einen Antrag befinden, die Marke beim Markenamt wieder löschen zu lassen, wenn es durch die Manufaktur weiter Angriffe auf andere Firmen wegen Verwendung des Namens gebe. Unland hofft weiter auf eine »konstruktive Lösung«.

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