Grüne zeigten noch einmal kurz die Zähne

Rot-rot-grüne Unterhändler trafen sich zu letzter Runde

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum Abschluss der rot-rot-grünen Koalitionsverhandlungen in Thüringen beschäftigten sich die Partner am Mittwoch noch einmal mit etwas, um das sie schon viel gerungen haben: den Unrechtsstaat. Jedenfalls formal. Als Teil der Präambel des Koalitionsvertrages, der am Tag darauf der Öffentlichkeit vorgestellt werden sollte. Zu größeren Problemen kam es wohl nicht, die Unterhändler in der vierten und letzten Sitzung der sogenannten Großen Verhandlungskommission meldeten am Nachmittag und damit weit früher als angekündigt: Der Vertrag steht.

Der Text solle die Lebenswirklichkeit aller Menschen im Freistaat abbilden, hatte die Vorsitzende der Thüringer LINKEN, Susanne Hennig-Wellsow, unmittelbar vor Beginn der Gespräche angekündigt. Heißt: Die umstrittene Unrechtsstaatsmetapher für die Zustände in der DDR wird sich dort ebenso wiederfinden wie ein Verweis auf das Regime der Nazis und die Morde der Terrorzelle NSU. Trotz der fast achtwöchigen Arbeit, die in dem Papier steckt, wird der Vertrag nichts darüber aussagen, welche Partei in Thüringen welches Ministerium mit welchen Zuständigkeiten bekommen soll. Über diese Fragen soll erst in den kommenden zwei Wochen entschieden werden.

Auch am Mittwoch hatten die Verhandlungsführer von Linkspartei und SPD, Hennig-Wellsow und Andreas Bausewein, wie schon so oft zuvor, betont, wie gut das Klima in den Dreiergesprächen sei. Die LINKE-Politikerin: »Rot-Rot-Grün ist wirklich fast angekommen.« Die Art, wie die Grünen zu den Verhandlungen erschienen waren, ließ jedoch ahnen, dass es in dieser letzten Runde und vielleicht auch in künftigen Zeiten nicht ohne Differenzen abgehen muss. Die Grünen um die Vorsitzende der Landtagsfraktion, Anja Siegesmund, waren sichtlich schlecht gelaunt und angespannt zu den Verhandlungen erschienen. Während die LINKE und der Sozialdemokat wie üblich vor Beginn der Gespräche kurze Statements abgaben, drängten Siegesmund und ihre Gefolgsleute fast wortlos in den Verhandlungsraum. »Wir stehen vor schwierigen Gesprächen«, war der einzige Satz, den Siegesmund im Vorbeigehen raunte.

Welches Problem die Grünen genau hatten, blieb zunächst unklar. Aber trotz der düsteren Minen der Grünen glaubte niemand daran, dass die Koalitionsverhandlungen so kurz vor dem Abschluss noch scheitern könnten - nicht zuletzt, weil Rot-Rot-Grün in den vergangenen Wochen schon einige umstrittene Themen einvernehmlich gelöst hatte.

Als die Grünen darauf bestanden, dass die LINKE die DDR als Unrechtsstaat - auch gegen Widerstand aus den eigenen Reihen - anerkennt, hatten die Genossen um Hennig-Wellsow das getan. Und auch beim Verfassungsschutz hatte sich Rot-Rot-Grün schließlich geeinigt. Während die LINKE der Meinung ist, grundsätzlich müsse der Verfassungsschutz abgeschafft werden, macht die SPD keinen Hehl daraus, dass sie ihn grundsätzlich für nötig erachtet; ihn und die V-Leute. Der rot-rot-grüne Kompromiss: Verfassungsschutz ja, V-Leute (zumindest testweise) nein.

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