Nicht geheim

PERSONALIE

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 2 Min.

Normalerweise ist Öffentlichkeit nicht die Sache von Joram Cohen. Lieber werkelt der Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Beth im Verborgenen; mit Nachdruck sorgte er dafür, dass auch Politiker, die normalerweise an keinem Journalisten vorbei gehen können, ohne ihm all ihre Geheimnisse zu erzählen, den Mund halten, wenn er oder sein Dienst im Spiel sind.

Am Dienstag war das anders: Nach dem der 54-jährige - hinter verschlossenen Türen vor dem Knesset-Ausschuss für Verteidigung und Auswärtige Angelegenheiten - gesprochen hatte, zitierten Anwesende ausgiebig aus seinen Aussagen. Und Schin Beth unternahm nichts, um die Veröffentlichung der Zitate per Gerichtsbeschluss zu unterbinden.

Dabei haben es die Aussagen in sich: Cohen galt bisher als Gefolgsmann von Regierungschef Benjamin Netanjahu, der ihn 2011 überraschend zum Direktor des Dienstes ernannt hatte. Doch am Dienstag wandte sich Cohen offen gegen die Regierung, ließ öffentlich werden, dass er die Einschätzung von Netanjahu nicht teilt. Der Premier, aber auch Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der rechten Partei »Jüdisches Heim« hatten zuvor die palästinensische Regierung in Ramallah und ganz besonders Präsident Mahmud Abbas beschuldigt, sie stachelten zur Gewalt an. »Niemand in der palästinensischen Regierung tut dergleichen, auch wenn manche Aussagen so verstanden werden könnten, wenn man ihre Bedeutung nicht einschätzen kann«, soll Cohen nun dagegen gehalten haben. Politiker sollten sich vom Tempelberg, der Muslimen als Haram al-Scharif heilig ist, fern halten. Der Mord an dem 16-jährigen Mohammad Khdeir durch ultrarechte Israelis sei der entscheidende Faktor gewesen, der zum Beginn der Ausschreitungen geführt habe.

Cohen weiß, wovon er spricht: Der Geheimdienstler hat seine gesamte Karriere als Agent im Westjordanland und in Ost-Jerusalem verbracht. Es gebe wohl kaum jemanden innerhalb des Dienstes, der die einzelnen Gruppierungen dort besser kennt als er, heißt es beim Schin Beth.

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