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Unser Wasser ist älter als die Sonne

Neue Studien zeigen: Wichtige Voraussetzungen des organischen Lebens entstanden schon vor den Planeten

  • Dieter B. Herrmann
  • Lesedauer: 6 Min.
Etwa 30 bis 50 Prozent des Wassers in unseren Ozeanen und sogar 
etwa 60 bis 100 Prozent des Wassers in den Kometen müssen schon in jener Molekülwolke entstanden sein, aus dem das Planetensystem später hervorging.

Ohne Wasser ist das Leben, wie wir es kennen, nicht möglich. Auch deshalb interessiert sich die Forschung bereits seit Langem für das Wasser in den Tiefen des Universums. Zwar ist die Erde der einzige »Blaue Planet« in unserem Sonnensystem, weil er zu 70 Prozent seiner Oberfläche von gewaltigen Ozeanen bedeckt ist. Doch das bedeutet nicht, dass Wasser nicht auch andernorts zu finden wäre, wenn auch zumeist in gefrorener Form. Schon auf unserem kosmischen Begleiter, dem Mond, finden wir Wassereis. Neueste Untersuchungen deuten darauf hin, dass es aus der gleichen Quelle stammt wie das irdische Wasser. Dafür spricht das übereinstimmende Verhältnis von gewöhnlichem Wasserstoff zu dem schwereren Wasserstoffisotop Deuterium im Mondwasser (H2O : HDO), wie Forscher der Brown University in Providence (USA) kürzlich mitteilten. Das stütze die These, dass der Mond tatsächlich vor etwa 4,5 Milliarden Jahren durch eine Kollision aus der Erde entstand. Dann müsste allerdings auch damals schon, in einem sehr frühen Stadium der Erdentwicklung, hier Wasser vorhanden gewesen sein.

Unser Planet war also von Anfang an »nass«. Dieser Schluss lässt aufhorchen, hatte man doch erst vor zwei Jahren die »Erkenntnis« verbreitet, Wasser sei erst später durch Kometen oder Asteroiden auf die Erde gebracht worden. Auch auf anderen Körpern des Sonnensystems hat man Wasser gefunden - auf Kometen, in den abgeschatteten Talbecken des Planeten Merkur, auf dem Planeten Mars und bei den Eismonden der Riesenplaneten. Der Jupitermond Europa soll gar über ein ausgedehntes Wasserreservoir unter seiner Oberfläche verfügen. Auch Kleinplaneten sind keineswegs trocken. So entdeckte die US-amerikanische Raumsonde »Dawn« bei ihrer Annäherung an den Kleinplaneten Vesta bis auf 200 Kilometer im Jahre 2012 dort ebenfalls Wasser. Der etwa 500 km große, unregelmäßig geformte Körper hatte bis dahin als knochentrocken gegolten, ähnlich wie lange Zeit auch unser Mond. Das ist verständlich, denn wie sollte sich Wasser bei der geringen Anziehungskraft und der kräftigen Sonneneinstrahlung auf dem kleinen Körper halten? Man nimmt nun an, dass es dort bei Zusammenstößen mit sogenannten kohligen Chondriten, Steinmeteoriten mit bis zu drei Prozent Kohlenstoffanteil und Wasser, deponiert wurde. Auch dafür fand man gute Argumente. Die Verteilung des Wassers auf Vesta ist nämlich sehr ungleichmäßig. In geologisch jungen Gebieten findet man kaum Wasser, so z.B. in einem südlichen Kraterbecken des Asteroiden. Dieses ist vor etwa einer Milliarde Jahren durch einen großen Meteoriten entstanden, wobei vorhandenes Wasser der Hitze des Aufpralls zum Opfer fiel. Die seither vergangene Zeit reichte offenbar nicht aus, um neues Wasser einzusammeln. So erklären die Forscher, dass geologisch ältere Gebiete auf dem Kleinplaneten deutlich mehr Wasser aufweisen. Überraschend ist auch die »Komposition« dieses Wassers: Es enthält dasselbe Mischungsverhältnis von normalem zu schwerem Wasser wie das irdische und jenes des Mondes.

Komplexe Moleküle im interstellaren Raum

Im Inneren von Sternen werden durch Kernfusion lediglich Atome synthetisiert, die schwerer als Wasserstoff und Helium sind. So entstehen Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff und andere Elemente. Doch Untersuchungen im interstellaren Raum liefern seit längerer Zeit zunehmend auch Beweise für das Vorkommen kompliziert aufgebauter Moleküle, die von Biologen als für die Entstehung des Lebens unbedingt erforderlich angesehen und deshalb als »präbiotisch« bezeichnet werden. Beispiele sind Alkohole, Carbonsäuren und Aminosäuren als Kettenglieder der makromolekularen Proteine. Wie diese chemische Evolution vonstatten geht, ist eine der interessantesten wissenschaftlichen Fragen, weil wir dadurch die Antwort finden könnten, wie sich das faszinierende Phänomen des Lebens entwickelte. Aus diesem Grund wurde auch gerade am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München ein spezielles »Zentrum für astrochemische Studien« ins Leben gerufen, dessen Forschungsschwerpunkt die interstellaren Moleküle sind. Die Forscher sind überzeugt: Wenn auch nur einfachste lebende Strukturen erst einmal vorhanden sind, entwickelt sich Leben stets aus Leben (Biogenese) – durch Mutation und natürliche Auslese zu immer höheren und komplizierteren Formen. Doch zu Beginn gab es nur anorganische Strukturen. Die Frage ist also, wie sich die »abiotische« Evolution hin zu einer Urform von Leben entwickelt hat. Vor allem Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff dürften wegen ihrer Reaktionsfreudigkeit geeignet sein, die erforderlichen mehratomigen »Ur-Moleküle« zu bilden. Dass unter Zufuhr von Energie (etwa in Form von Blitzen) daraus unter Beteiligung von Wasser tatsächlich das ganze Spektrum von Aminosäuren entsteht, das für die langkettigen Proteine erforderlich ist, konnte experimentell schon in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts im Urey-Miller-Experiment gezeigt werden. Nun haben Forscher mit der aus 66 großen Radioteleskopen bestehenden Teleskop-Anlage ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) in einem ca. 27 000 Lichtjahre entfernten Sternentstehungsgebiet die verzweigte Molekülsorte Isopropylcyanid entdeckt. Das ist ein weiterer wichtiger Hinweis darauf, dass in jenen Wolken, aus denen Sterne und Planetensysteme entstehen, nicht nur Wasser, sondern auch komplexe präbiotische Moleküle vorhanden sind. Unter geeigneten Bedingungen kann dann die Evolution des Lebens praktisch nach Herausbildung eines Planetensystems »ohne Zeitverzug« beginnen. DBH

»Dawn« ist jetzt auf dem Weg zu dem Zwergplaneten Ceres, der 2015 erreicht werden soll. Vesta stammt aus der Frühzeit des Sonnensystems und aus derselben Region, in der auch unsere Erde entstand. Das Vorkommen von Wasser dort bestätigt ein weiteres Mal, dass im inneren Sonnensystem Wasser bereits sehr frühzeitig vorhanden gewesen ist.

Andererseits wissen wir, dass es keineswegs von Anbeginn des Universums Wasser gegeben hat. Zwar fehlte es nicht an Wasserstoff, dem bis heute häufigsten Element im Kosmos, wohl aber an Sauerstoff. Dieser wurde erst im Inneren der ersten Sternen durch Kernverschmelzung (Fusion) synthetisiert und gelangte dann in das interstellare Medium. Doch auch das führte nicht sofort zur Bildung von Wasser. Einerseits waren die Temperaturen dafür zu hoch, andererseits die Dichten zu gering. Nach gegenwärtigen Vorstellungen entstand Wasser erst später in sogenannten Molekülwolken, in denen sich auch Staub befindet. Dieser fungierte offensichtlich als Katalysator, so dass die Staubkörner der Wolken von einem Mantel aus Wassereis umschlossen wurden. Diese Molekülwolken sind nun aber jene Objekte des Universums, die zur Herausbildung von Sternen und Planetensystemen führen. Der Kern einer solchen Wolke beginnt zu kollabieren und in seinem Zentrum bildet sich ein Stern heraus. Wegen der mit dem Kollaps zunehmenden Rotationsgeschwindigkeit flacht sich das Gesamtgebilde dabei ab und bildet um den Protostern eine Akkretionsscheibe. In dieser protoplanetaren Scheibe entstehen dann schließlich die Planeten, und hier ist auch das Baumaterial als »Schutt« in Form von Asteroiden und Meteoriten anzutreffen.

Was nun das Wasser anlangt, so hängt das Mischungsverhältnis von normalem zu schwerem Wasser entscheidend von den Umgebungsbedingungen bei seiner Entstehung ab. Wasser im interstellaren Medium beinhaltet einen bis zu 30 mal größeren Anteil an schwerem Wasser. Doch wie viel davon wird wieder zerstört, wenn es bei der Sternentstehung zu deutlich höheren Temperaturen kommt als im interstellaren Medium? Dieser Frage widmete sich nun ein Forscherteam um Conel M. O’D. Alexander von der Carnegie Institution in Washington und publizierte seine Ergebnisse im Fachjournal »Science« (Bd. 345, S. 1590). Die Wissenschaftler fragten sich, ob das »Mischungsverhältnis«, das wir beim Wasser im inneren Sonnensystem beobachten, auch aus Prozessen erklärbar wäre, die sich gleichsam »vor Ort« abgespielt haben. Und sie kommen zu dem Ergebnis: Das ist unmöglich.

Etwa 30 bis 50 Prozent des Wassers in unseren Ozeanen und sogar etwa 60 bis 100 Prozent des Wassers in den Kometen müssen schon in jener Molekülwolke entstanden sein, aus dem das Planetensystem später hervorging. Somit finden wir in unseren Ozeanen zumindest zu einem beträchtlichen Teil Wasser, das schon vorhanden war, als es die Sonne noch gar nicht gab. Das könnte auch auf komplizierte Moleküle zutreffen, die sich in Molekülwolken bereits herausbildeten, ehe es zur Entstehung von Sonnen und Planetensystemen kam (siehe Infokasten).

Diese Erkenntnisse haben weitreichende Konsequenzen: Ist unser Planetensystem ein typischer Vertreter seiner Art, dann sollte auch anderswo Wasser von Anbeginn vorhanden sein, so dass auch bei Exoplaneten günstige Voraussetzungen für die Herausbildung und Entwicklung von Leben bestehen, zumal wenn komplexe organische Moleküle ebenfalls bereits vorhanden sind. Das wissen wir allerdings noch nicht mit der nötigen Sicherheit. Unter den extrasolaren Planetensystemen gibt es zumindest viele, die recht exotische Eigenschaften aufweisen, und das Studium der Atmosphären und sonstigen Eigenschaften von Exoplaneten ist technisch recht schwierig. Hoffnungsvoll stimmt deshalb die Nachricht eines internationalen Forscherteams um Jonathan Fraine, dass man Wasserdampf in der Atmosphäre eines etwa neptungroßen Planeten in 124 Lichtjahren Entfernung entdeckt habe. Es mag also zwar eine weitaus größere Vielfalt an Planetensystemen geben, als früher gedacht - dennoch sind wir möglicherweise nicht untypisch. Die weitere Verfeinerung der Nachweismethoden dürfte in nächster Zukunft noch weitaus mehr Details zutage fördern.

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