Bissige Worte wider den Wolf

Schäfer in Niedersachsen fürchten Schäden Regierung: Die Tiere haben hier Lebensrecht

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Wölfe sollten wieder ausgerottet werden. Diese Forderung klingt aus dem Brief eines Schäfersprechers an Niedersachsens Regierung. Die aber verteidigt »Isegrim«.

»Der Wolf hat hier kein Lebensrecht«, so wettert Schäfer Wendelin Schmücker in einem zehnseitigen Brief an Ministerpräsident Stefan Weil (SPD). Schafe und andere Nutztiere reiße der gesetzlich geschützte graue Räuber, und er sei auch »eine außerordentliche Gefahr für Menschen«. Der vierbeinige Heimkehrer soll wieder weg, wünscht sich der Schäfer aus Winsen im Kreis Harburg. Das Wort »ausrotten« vermeidet er, doch ein anderes Begehren lässt sich aus Schmückers scharfem Plädoyer gegen den Wolf kaum folgern.

Die deutsche Kulturlandschaft brauche keine Wölfe, heißt es in seinem offenen Brief an den Regierungschef. Diese Tiere seien kontraproduktiv, »sie sind hier Schädlinge«. Schädlingsbekämpfung aber stehe vor der Erhaltung biologischer Vielfalt, argumentiert der Schäfer und fragt: »Welchen besonderen Bonus sollten Wölfe vor allen anderen Schädlingen haben?« Die »Verdrängung des Wolfes« durch frühere Generationen vor etwa 150 Jahren würdigt Schmücker als »historische Leistung«.

Als Sprecher einer Abteilung von Berufsschäfern in der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände fordert Schmücker nicht nur einen hundertprozentigen Ausgleich aller Schäden, die der Wolf an Nutztieren anrichtet. Auch die Kosten für Schutzmaßnahmen gegen Wölfe müssten vom Staat in voller Höhe übernommen werden.

Nicht alle Schäfer finden so bissige Worte wider den Wolf wie Schmücker. Ein Ausrotten, so äußerte sich jüngst einer seiner Berufskollegen, sei übertrieben. Naturschutzverbände wie Nabu und BUND sehen das ebenso und weisen den Wunsch des Winseners, den Schutz des Wolfes aufzuheben, entschieden zurück.

Bis Mitte Oktober haben Wölfe in Niedersachsen im laufenden Jahr insgesamt 65 Nutztiere attackiert. Das besagt eine Statistik der Landesjägerschaft. Von einem Wolf gerissen wurden demnach 55 Schafe, sechs Stück in Gehegen gehaltenes Damwild und vier Rinder. In mehreren Fällen waren die betroffenen Tiere nur unzureichend durch Zäune gesichert.

Das weiß auch das niedersächsische Umweltministerium. Dessen Referent Frank Krüger verweist deshalb in einer siebenseitigen Antwort an Wendelin Schmücker auf die Eigenverantwortung der Schäfer. Für den Schutz ihrer Tiere müsse seitens der Halter »deutlich mehr als bisher« getan werden. Mit dem Wolf sei nun mal in puncto Weidehaltung »ein neuer Einflussfaktor« gekommen. Der Graue aber habe hier »sehr wohl ein Lebensrecht«, auch in einer Kulturlandschaft. So wie alle heimischen Tiere überall dort, wo sie sich auf natürlichem Wege ausbreiten.

Zur Zeit leben in Niedersachsen etwa 50 Wölfe bilanziert Krüger, die meisten davon seien Jungtiere. Viele von ihnen überlebten ihr erstes Jahr nicht, auch begrenzten »artspezifische Mechanismen« die Vermehrung, und so sei die von Schmücker vorhergesagte »Plage« durch massenhaftes Auftreten von Wölfen nicht zu erwarten.

Zu Schmückers weiteren Befürchtungen schreibt der Referent: Deutschland ist frei von Wildtollwut, eine Gefährdung aus dieser Richtung sei daher aktuell eher theoretisch. Auch brauche in Deutschland kein Wolf Hunger zu leiden, halte doch die Natur ein überreiches Beuteangebot bereit.

Die Ausrottung einer Tierart als »historische Leistung« zu betrachten, wie es der Schäfer in seinem dicken Brief getan hatte, liegt der Landesregierung laut Krüger »sehr fern«. Und er lässt den Schäfer wissen: Zwar sei eine Richtlinie in Arbeit, die Ausgleichszahlungen für Wolfsschäden vorsieht, aber das werden freiwillige Leistungen sein. Denn für den Schaden, den ein Wildtier anrichtet, könne niemand verantwortlich gemacht werden.

Wendelin Schmücker hat nun erneut nach Hannover geschrieben. Er sei »überhaupt nicht einverstanden« mit der Haltung der Landesregierung. Auch der Schäfer führt die »Vielfalt der Kulturlandschaft« ins Feld: »Damit sie erhalten bleibt, brauchen wir die Schafe - und zwar lebendig.«

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