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»Wir decken Korruption auf«

Borges Nhamire über die politische Situation in Mosambik und Methoden der Aufklärung

  • Lesedauer: 4 Min.

In Mosambiks Parlament sind künftig drei Parteien vertreten - die MDM (Demokratische Bewegung Mosambiks) mit 17, die frühere Rebellenorganisation Renamo mit 89 und die einstige Befreiungsbewegung Frelimo mit 144 Sitzen. Die Renamo erkennt das Ergebnis nicht an. Heißt das, wir müssen mit neuen Gewalttätigkeiten rechnen?

Ob militärische Auseinandersetzungen erneut ausbrechen werden, ist im Moment noch schwer vorherzusagen. Die Opposition hat jetzt mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Vielleicht nutzt sie diese auch erst mal probeweise und erweist damit ihre Daseinsberechtigung.

Wofür stehen die Parteien?

Es gibt keine Programmatik. Im Wahlkampf spielten Argumente keine Rolle. Die Opposition beschränkte sich darauf, der Regierungspartei Frelimo vorzuwerfen, dass sie alles falsch mache, und umgekehrt warb die Frelimo mit dem Spruch »Wer nicht Frelimo wählt, ist selber schuld!« Eine wirkliche Alternative im Sinne einer Kraft, die das Volk hoffen lässt, bot diese Konstellation nicht.

Wie beurteilen Sie den Ablauf der Wahlen Mitte Oktober?

Es gab mehr als 500 ausländische Beobachter, von denen die meisten die Wahlen nicht beanstandet haben. Es hat dokumentierte Gewalt gegeben und nachweislich auch plumpe Wahlfälschungen. Wie kann eine Partei in einem Wahlbezirk mehr Stimmen erhalten, als es registrierte Wähler gibt? Wie ist es möglich, dass von dem gleichen Wahlbezirk unterschiedliche Ergebnisprotokolle vorliegen? Ist es glaubhaft, dass tatsächlich knapp 19 000 Wähler sich nur an den Präsidentschaftswahlen, nicht aber den Parlamentswahlen beteiligt haben? Trotzdem wird das Wahlergebnis vermutlich anerkannt werden, da die Manipulationen als nicht wahlentscheidend angesehen werden.

Viele Leser werden sich an die Renamo noch als eine vom südafrikanischen Apartheidregime und dem westlichen Ausland installierte und bezahlte Bewegung erinnern. Spielt dieser historische Hintergrund in Mosambik noch eine Rolle?

Es ist viel Zeit vergangen, die Renamo hat in Mosambik inzwischen eine eigene starke Anhängerschaft und würde in mehreren zentralen Provinzen die Gouverneure stellen, würden diese nicht von der Frelimo eingesetzt. Viele junge Mosambikaner - und wir sind ein junges Land mit 43 Prozent unter 15-Jährigen - wissen wenig über die Geschichte oder sehen in beiden großen Parteien seinerzeit vom Ausland gesteuerte Bewegungen. Es gibt die Auffassung, wir seien ein Opfer des Kalten Krieges.

Das Centro de Integriade Publica (Zentrum für öffentliche Integrität), für das Sie arbeiten, ist eine offiziell zugelassene aber sehr regierungskritische Organisation …

… und deshalb nicht sehr beliebt bei der politischen Führung. Wir decken Korruption und Bereicherung, Fälle von Begünstigung der eigenen Familie durch Frelimo-Funktionäre, Regierungsmitglieder und andere auf.

Wer bezahlt Sie?

Wir werden von ausländischen Geldgebern bezahlt, und genau das wirft man uns vor. Ein großer Teil des Staatshaushalts hängt von ausländischem Geld ab. Uns beschuldigt man, der verlängerte Arm ausländischer Kräfte und keine echten Mosambikaner zu sein. Wir wollten das Land destabilisieren, heißt es. Man beschimpft uns auch schon mal als US-Amerikaner, aber wir können unsere Kritik publizieren, ohne Repressionen fürchten zu müssen.

Welche Chance haben Mosambikaner, sich durch öffentlich zugängliche Medien eine eigene Meinung zu bilden, die auf solider Information basiert?

Zeitungen und Zeitschriften spielen eher in den großen Städten eine Rolle. Wichtigstes Medium im Lande ist noch immer der Rundfunk. Für die Information der Menschen sind der staatliche Rundfunk aber auch die staatlich finanzierten Community Sender, die sich lokalen Themen in den jeweiligen Sprachen der Region zuwenden, maßgeblich. Der Rundfunk genießt zu Recht eine größere Glaubwürdigkeit als die meisten Zeitungen, die überwiegend Sprachrohre der Regierung sind. Das gilt sogar für einige private Blätter; sie befinden sich im Besitz von Regierungsmitgliedern oder ihren Familienangehörigen.

Spielen das Internet und die damit erreichbaren sozialen Medien eine Rolle?

Ihre Wirkung sehe ich kritisch. Vieles, was gepostet wird, ist nur die halbe Wahrheit oder nur ein Puzzlestein. Es gibt kaum Hintergrundinformationen im Netz. Den Bürgerjournalisten, wie wir sie nennen, fehlt eine journalistische Ausbildung, eine journalistische Ethik. Eine kritische Quellenbewertung ist für die meisten ein Fremdwort. Sie sind hilfreich in der Zusammenarbeit mit Profis. Das hat sich bei den Wahlen gezeigt, denn natürlich können Journalisten nicht überall gleichzeitig sein. Ich sehe in den sozialen Medien aber keine Quelle von Orientierungswissen oder gar einen Ersatz für professionellen Journalismus. Und was das Internet betrifft, so ist der Empfang außerhalb der Hauptstadt Maputo häufig sehr eingeschränkt.

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