Teilerfolg für bespitzelten Journalisten

Verfassungsschutz muss weitere Akten vorlegen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Teilerfolg für Kai Budler: In der juristischen Auseinandersetzung um die langjährige Überwachung des Journalisten, der auch für »nd« schreibt, durch den niedersächsischen Verfassungsschutz muss der Geheimdienst nunmehr weitere 50 Seiten aus den Observierungsakten vorlegen. Das beschloss das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) (Az 14 PS 2/14 und 10 A 5548/11). Das Urteil wurde am Montag bekannt. Etliche Verfassungsschutzakten bleiben jedoch weiter verschlossen.

Der damals in Göttingen lebende und als angestellter Redakteur des Göttinger Stadtradios tätige Journalist hatte 2011 durch eine Anfrage erfahren, dass der Verfassungsschutz ihn bereits seit mehr als zehn Jahren beobachtete. Budler hatte zuvor für seinen Sender und andere Medien über einen Neonazi-Aufmarsch in Dresden und die Proteste dagegen berichtet. Die sächsische Polizei erfasste im Rahmen von Ermittlungen gegen Nazigegner bei Funkzellenabfragen die Daten von hunderttausenden Handy-Gesprächen. Dieses Vorgehen nahm Budler zum Anlass für ein Auskunftsersuchen in eigener Sache.

Allerdings gab das Landesamt für Verfassungsschutz zunächst nur einen Teil der über den Journalisten gesammelten Informationen bekannt, unter anderem seine Mitarbeit bei dem Radiosender und seine Teilnahme an Demonstrationen in Göttingen. Budler erklärt dazu, er habe die fraglichen Kundgebungen in seiner Eigenschaft als Journalist besucht. Das Verwaltungsgericht der Universitätsstadt entschied noch im selben Jahr, dass der Verfassungsschutz einen Teil der Daten über den Journalisten offenlegen und andere löschen musste.

In einem weiteren Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover um die Frage der Rechtmäßigkeit der Überwachung hatte sich der Verfassungsschutz nach Angaben von Budlers Rechtsanwalt Sven Adam erneut geweigert, die Akten vollständig vorzulegen, die das Gericht per Beschluss angefordert hatte. Auf Antrag von Adam befasste sich deshalb nun das in Lüneburg ansässige OVG mit der Sache.

Die 50 bislang zurückgehaltenen Dokumente enthielten offenbar Ausdrucke von Internetseiten und Kopien von Broschüren und Zeitungsartikeln, sagt Adam. Er konnte die betreffenden Akten bislang nicht selbst einsehen, weil das OVG in einem sogenannten »In-camera-Verfahren« entschied. Dabei handelt es sich nach deutschem Verwaltungsrecht um ein besonderes Zwischenverfahren, in dem die Geheimhaltungsbedürftigkeit bestimmter Informationen überprüft wird. Die betreffenden Unterlagen sind nur für die Augen des Gerichts bestimmt, werden also weder den Beteiligten der Streitsache noch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Gegen den Beschluss des OVG können sowohl Budler als auch der Verfassungsschutz Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. »Wir werden die Beschwerde schon deswegen einlegen, weil dies die letzte gerichtliche Chance ist, Informationen über die Intensität dieser absurden Überwachung zu erhalten«, so Adam zum weiteren Vorgehen.

Im Zuge der Verfahren war offensichtlich geworden, dass der niedersächsische Verfassungsschutz unter der Verantwortung des ehemaligen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) offenbar kaum Grenzen kannte. Neben mindestens sieben Journalisten und einer Grünen-Politikerin hatte der Geheimdienst auch Rechtsanwalt Adam selbst beobachtet und über ihn eine Akte angelegt.

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