Braunkohle auf Reisen

Brennstoff aus Leipziger Revier geht nach Tschechien und Niedersachsen / Experte: Mibrag drängt auf neue Grube

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Tagebaubetreiber Mibrag liefert Kohle aus dem Revier bei Leipzig nach Tschechien und Niedersachsen. Womöglich wird so Nachfrage für eine neue Grube erzeugt.

Braunkohle ist eigentlich kein Rohstoff, der auf lange Reisen geschickt wird. Waggons, die mit dem Brennstoff beladen werden, sind faktisch zur Hälfte mit Wasser, Sand und Verunreinigungen gefüllt. »Oft ist es deshalb unökonomisch, Kohle zu weiter entfernten Kraftwerken zu befördern«, schreibt der Experte Jeffrey Michel in einem Beitrag über die europäische Braunkohleindustrie auf dem Blog »energypost.eu«. Oft, aber offenbar nicht immer. Kohle aus dem mitteldeutschen Revier wird nicht nur in den dortigen Kraftwerken Lippendorf und Schkopau verfeuert, sondern auch in Opatovice (Tschechien) und Buschhaus (Niedersachsen), 300 bzw. 200 Kilometer entfernt.

Zumindest die Transporte in Richtung Buschhaus dürften künftig noch zunehmen. Das Kraftwerk wird derzeit aus dem nahen Tagebau Schöningen versorgt. Er ist aber 2017 erschöpft. Ursprünglich gab es Pläne, das Kraftwerk dann stillzulegen. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Die Mibrag (Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft GmbH), die im Leipziger Südraum die Tagebaue Profen und Vereinigtes Schleenhain betreibt, hat Buschhaus nach Angaben des Portals »klimaretter.info« bereits 2013 übernommen. Mibrag-Sprecherin Sylvia Werner sagte gegenüber »nd«, man wolle das Kraftwerk auch nach dem Ende des dortigen Tagebaus »weiter betreiben«. Versorgt werde es »mit Braunkohle aus dem mitteldeutschen Revier«, fügte sie hinzu. Es gibt Vermutungen, wonach das Kraftwerk so bis 2030 am Netz bleiben könnte.

Auch weitere Kohletransporte nach Tschechien hält Energieexperte Michel für wahrscheinlich. Dort dürften die genehmigten Reviere aufgrund der 1991 beschlossenen Resolution 444 des Parlaments nicht mehr erweitert werden - mit der Folge, dass die Förderung nach jetzigen Schätzungen im Jahr 2022 endet. Dennoch hat etwa der Energieriese ČEZ sein Kraftwerk in Pruněřov für eine Laufzeit bis 2040 modernisiert. Michel hält es nicht für ausgeschlossen, dass auch dort Kohle aus Mitteldeutschland verfeuert wird. ČEZ war nach 2009 zeitweiliger Eigentümer der Mibrag, die zuvor in US-Besitz war. Heute gehört das Unternehmen mit Sitz in Zeitz der »Energetický a Průmyslový Holding« (EPH). Deren Tochter EPE betreibt das Kraftwerk Opatovice, das nach Angaben des Fachjournalisten Stefan Schröter allein im Jahr 2012 rund 161 200 Tonnen Kohle aus dem Revier bei Leipzig erhielt. Eine Anfrage des »nd«, aus welchem der Tagebaue die Kohle komme, ließ Mibrag-Sprecherin Werner unbeantwortet; Angaben zu Lieferverträgen mache man »grundsätzlich nicht«, hieß es.

Jeffrey Michel vermutet, es handle sich um Kohle aus Profen. Die Grube »Vereinigtes Schleenhain« ist mit der Belieferung des Kraftwerks Lippendorf ausgelastet, das zehn bis zwölf Millionen Tonnen im Jahr braucht. Zwar werden nach Angaben der Grünen im sächsischen Landtag etwa zehn Prozent der Fördermenge an Industriekunden abgegeben, wo sie zur Wärmegewinnung genutzt werden - obwohl es im Streit um die Abbaggerung von Heuersdorf einst hieß, die Kohle werde komplett für Strom aus Lippendorf gebraucht. Weitere Reserven dürfte der Tagebau aber nicht haben. Dagegen soll jener in Profen, dessen Vorräte eigentlich bis 2035 reichen sollten, »früher ausgekohlt werden«, vermutet Michel - und zwar, um Bedarf für den Aufschluss eines neuen Tagebaus bei Lützen zu erzeugen. Dessen Eröffnung hatte die Mibrag lange vom Bau eines Kraftwerks abhängig gemacht, für das man aber keine Investoren findet. Mit dem Einstieg in Buschhaus sowie der schon 2012 erfolgten Übernahme von Anteilen am Kraftwerk Schkopau gibt es aber Abnehmer - und zugleich Druck, sie auch nach einem womöglich früheren Auslaufen der Grube in Profen versorgen zu können. Die Vorräte in einem Tagebau Lützen werden auf 349 Millionen Tonnen geschätzt. Für die Mibrag wäre das eine Lebensversicherung auf viele Jahrzehnte.

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