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Die Sache mit der direkten Demokratie

Soll es einen Bürgerentscheid über das frühere Kulturhaus in Suhl geben? LINKE und SPD sind skeptisch

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei Rot-Rot-Grün in Thüringen soll der Bürger künftig viel häufiger mitreden dürfen. Für die LINKE in Suhl heißt das allerdings nicht, dass sie nun jede Initiative für einen Bürgerentscheid unterstützt.

In Suhl steht die Welt mal wieder Kopf. Jedenfalls auf den ersten Blick. Denn im Streit darüber, ob die Suhler im Rahmen eines Bürgerentscheids darüber abstimmen können sollen, ob das Portalgebäude ihres ehemaligen Kulturhauses nun für viel Geld umgebaut wird oder nicht, setzt sich ausgerechnet die CDU für einen solchen Volksentscheid ein; gleichwohl die Partei bislang nicht unbedingt durch die Forderung nach mehr direkter Demokratie aufgefallen ist. Gleichzeitig stehen LINKE und SPD einem solchen Bürgerentscheid skeptisch gegenüber; obwohl beide Parteien immer wieder betonen, sie seien für eine stärkere Beteiligung der Thüringer an allen Entscheidungen im Land. Über den Umbau des einstigen Kulturhauses wird in Suhl seit etlichen Jahren gestritten. Die thüringische Stadt will es zum »Haus der Geschichte« mit Stadtarchiv und Magazin für das Waffenmuseum umbauen. Eine Bürgerinitiative und die CDU-Stadtratsfraktion lehnen das Vorhaben wegen der hohen Kosten ab. Da mehr direkte Demokratie zu wagen eines der zentralen Anliegen eines rot-rot-grünen Bündnisses in Thüringen ist, ätzt Kreisvorsitzende der Suhler CDU, Marcus Kalkhake: »Wie sich LINKE und SPD in Suhl verhalten, steht im völligen Gegensatz zu dem, was in ihren Parteiprogrammen steht.«

Vertreter der LINKEN wie auch der Sozialdemokraten freilich wollen das nicht hinnehmen. Sie werfen der CDU in dem seit Wochen schwelenden Streit vor, die Bürgerinitiative für einen Volksentscheid zu instrumentalisieren. Vor allem Philipp Weltzien, der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Suhler Stadtrat, macht deutlich, dass die rot-rot-grüne Forderung nach mehr direkter Demokratie nicht zwingend bedeutet, dass seine Partei nun jeden Bürgerentscheid in Thüringen unterstützen wird. Zwar sagt er, mit Blick auf das Portalgebäude: »Ich habe keine Angst vor einem Bürgerentscheid.« Grundsätzlich begrüße er es, wenn sich Menschen in politische Entscheidungsfindungsprozesses einbrächten. Und deshalb würden weder er noch seine Partei irgendetwas tun, was eine Abstimmung der Bürger »konterkarieren« werde.

Weil aber seine Fraktion, so Weltzien, für den Umbau des Portalgebäudes sei und damit eine andere politische Haltung als die Suhler Bürgerinitiative habe, gebe es für die LINKE auch keinen Grund, so einen Bürgerentscheid mit voranzutreiben. »Ich werde doch keinen Bürgerentscheid forcieren, der inhaltlich nicht meinen Vorstellungen entspricht.« Wenn es - rein theoretisch - Bestrebungen gebe, über die Wegverlegung des Flüchtlingsheims aus Suhl einen Bürgerentscheid herbeizuführen, so der LINKE-Fraktionschef, dann werde doch niemand von seiner Partei erwarten, dass sie ein solches Anliegen unterstütze.

Ähnlich äußert sich Karin Müller, die Fraktionsvorsitzende der SPD in Suhl. Auch sie begrüße es grundsätzlich, wenn sich Menschen viel stärker als bislang in politische Prozesse einbrächten, sagt sie. Nur beim Portalgebäude, in diesem konkreten Fall, komme der Vorschlag für eine solche Abstimmung doch viel zu spät. Es entstünden hohe Kosten, wenn dieser Bereich des Kulturhauses nicht umgebaut werde.

Die einzig wirklich berechenbare Größe im Streit um einen Bürgerentscheid ist vor diesem Hintergrund die Haltung der Stadtverwaltung Suhl zu dem Vorhaben. Suhls parteiloser Oberbürgermeister Jens Triebel erklärte, der Antrag für das Bürgerbegehren sei zu spät eingereicht worden. Den Initiatoren bleibt jetzt noch der Gang vor das Verwaltungsgericht.

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