Merkwürdige Finanzströme im deutschen Spitzensport

Vorwürfe von Schattenwirtschaft, schwarzen Kassen und mangelnder Transparenz in der DOSB-eigenen Stiftung »Deutscher Sport«

  • Nikolaj Stobbe und Jörg Mebus
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sorgt mit den Geldtransfers seiner Stiftung »Deutscher Sport« unter den Verbänden und Politikern für Unmut.

Die Vorwürfe hatten es in sich: Von Schattenwirtschaft war die Rede, von schwarzen Kassen und übergangenen Mitgliedsverbänden. Der Deutsche Olympische Sport sorgt mit den weitgehend unbekannten Finanztransaktionen seiner Stiftung »Deutscher Sport«, von denen das WDR-Magazin Sport Inside und die Berliner Zeitung berichteten, bei seinen Mitgliedern für Unmut - und das keine zwei Wochen vor der DOSB-Mitgliederversammlung in Dresden.

Der sportpolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, ist erstaunt über die weitgehend unbekannten Geldtransaktionen der Stiftung und wandte sich mit schriftlichen Fragen an die Bundesregierung. Das Innenministerium ist Hauptgeldgeber des deutschen Sports. Mutlu möchte erfahren, »welche Kenntnisse die Bundesregierung über Geldflüsse und andere Zusammenhänge zwischen dem DOSB und der Stiftung Deutscher Sport« habe. Er will wissen, ob diese Kenntnisse »Gegenstand der Verhandlungen um öffentliche Bundesmittel zur Sportförderung, Prüfungsgegenstand der Verwendung der Fördermittel durch den DOSB oder Gegenstand sonstiger rechtlicher Prüfungen« gewesen seien.

»Das hat wenig mit Transparenz zu tun. Wenn der DOSB von der Politik immer wieder mehr Geld fordert, gleichzeitig aber Summen aus seinem Haushalt in Stiftungen transferiert, ist das sicher zu hinterfragen«, sagte DagmarFreitag, Vorsitzende des Sportausschusses und Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und forderte, dass das Thema auf die Tagesordnung der DOSB-Mitgliederversammlung am 6. Dezember in Dresden kommt. Christian Baumgartner, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Gewichtheber, kannte zwar die Stiftung, von Zahlungen des DOSB auf deren Konto sei ihm aber nichts bekannt gewesen.

Der DOSB wies die Vorwürfe der Schattenwirtschaft zurück. »Es wurde der Eindruck vermittelt, dass hier den Mitgliedern Gelder entzogen wurden und in schwarze Kassen flossen. Das weise ich entschieden zurück«, sagte der für Finanzen zuständige DOSB-Vizepräsident Hans-Peter Krämer. »Alle Ausgaben, die der DOSB getätigt hat, sind der Mitgliederversammlung und den Kassen- und Wirtschaftsprüfern vorgelegt worden. Es gab keine Einwände.«

Konkret geht es um Einzahlungen und Abbuchungen vom Konto der Stiftung, die laut Medienberichten nur fünfmal in Protokollen und Bilanzen des Dachverbandes der letzten sieben Jahre aufgetaucht sein sollen. Krämer beruft sich auch darauf, dass diese Finanztransfers laut Gesetz nicht öffentlich gemacht werden müssten. Auch diese Haltung sorgt bei einigen Verbandsvertretern wegen der vom DOSB ständig proklamierten Transparenz für Unmut.

Aufsehen erregte vor allem eine Zahlung von 1,5 Millionen Euro, die der DOSB an die Stiftung entrichtet hat. Krämer bezeichnete dies als Rückzahlung, nachdem die Stiftung in den finanziell schwierigen Anfangsjahren des DOSB für den Dachverband eingesprungen war. »Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung gut zwei Millionen Euro für satzungsgemäße Zwecke des DOSB aufgewendet. Und davon sind 1,5 Millionen Euro durch den DOSB erstattet worden - also rund 75 Prozent«, sagte Krämer.

Von den gut zwei Millionen Euro, die die Stiftung »satzungsgemäß« seit 2007 für den DOSB übernommen hat, gingen unter anderem 1 259 Euro an die Griechenlandhilfe, 5 000 Euro an den Doping-Opfer-Hilfeverein und 151 612 Euro an die Japanhilfe. 1 000 Euro flossen in die Feier zum 80. Geburtstag von DOSB-Ehrenpräsident Manfred von Richthofen. Die NADA wurde mit 260 000 Euro gefördert, die Hochwasserhilfe mit 215 000 Euro. Für den Kampf gegen sexuellen Missbrauch wurden 180 000 Euro aufgewendet.

Erstaunlich bleibt, wie wenig sich die Stiftung und deren Finanzflüsse im deutschen Sport herumgesprochen haben. »Wenn hier Gelder tatsächlich an die Stiftung abgeführt werden, dann ist umso mehr von Interesse zu erfahren, was dort mit den Geldern geschieht«, sagte DLV-Präsident Clemens Prokop. Anti-Korruptionsexpertin Sylvia Schenk sah aber auch die Mitglieder in der Pflicht. »Anscheinend hat aber auch über Jahre keiner nachgefragt. Es gibt auch immer eine Holschuld bei den Mitgliedern«, sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International.

Die Stiftung war 2007 gegründet worden. Als Grundkapital dienten 3,5 Millionen Euro, die das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 in Deutschland aus den WM-Gewinnen überwiesen hatte. Das Vermögen der Stiftung beläuft sich Krämers Angaben zufolge mittlerweile auf gut sechs Millionen Euro. SID

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