Keine ist so schön wie München

Wirtschaftsforscher stellen Ranking der attraktivsten Städte vor

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Süden Deutschlands lässt es sich angeblich am Besten leben. Doch beim aktuellen Städteranking kommen soziale Kriterien zu kurz.

Wer ist die schönste Stadt im ganzen Land? Diese Frage versuchte zum elften Mal das Consultingunternehmen des industrienahen In-stituts der deutschen Wirtschaft (IW Consult) zu beantworten. Es veröffentlichte am Donnerstag in Berlin ein Attraktivitäts-Ranking der 69 größten deutschen Städte. Auftraggeber waren das Magazin »WirtschaftsWoche« und das Internetportal »ImmobilienScout 24«. Besonders gut leben lässt es sich demnach im Süden.

Auftraggeber und -nehmer lassen erahnen, anhand welcher Parameter die Entwicklung der Städte beurteilt wurden. Mit 40 Prozent hat der Arbeitsmarkt das größte Gewicht beim Ranking. Dabei stehen aber nicht die Erwerbslosenquoten im Zentrum, sondern Faktoren wie der Pendlerüberschuss und die Akademikerbeschäftigungsquote. Die Wirtschaftsstruktur fließt mit 30 Prozent in die Bewertung ein. Erfasst werden nicht nur die Bruttowertschöpfung und das Steueraufkommen, sondern auch Produktivität, Patentanmeldungen und Gründungsintensität. Eine wichtige Rolle spielt ferner die Verzahnung von universitärer Forschung und deren Anwendung. Es folgt der Immobilienmarkt mit 20 Prozent.

Dessen Dynamik sei ein wichtiger Indikator, so Marc Stilke, Geschäftsführer von »ImmobilienScout24«. Steigende Preise für Mieten und Wohneigentum belegten, dass die betreffenden Städte an Wirtschaftskraft gewonnen hätten sowie für qualifizierte und entsprechend gut verdienende Menschen attraktiv seien: »Zukunftssicherheit und Lebensqualität haben eben ihren Preis.« Letztere wird beispielsweise mit Kennzahlen zur Kita-Versorgung, mit Wanderungssalden und Gästeübernachtungen definiert. Soziale Faktoren wie der Zustand der öffentlichen Infrastruktur, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum oder der erst vor kurzem erneut erfasste Grad der Überschuldung privater Haushalte würden »nicht direkt bewertet«, flössen aber in die Gesamtbetrachtung ein, versicherte Michael Bahrke von IW Consult.

Die vorderen Plätze im Ranking belegen wie bereits in den vergangenen Jahren hauptsächlich süddeutsche Städte, die sowohl wichtige Industrie- als auch Forschungsstandorte sind. Es führt München vor Erlangen und Ingolstadt. Zur Spitzengruppe gehören ferner Wolfsburg, Stuttgart, Regensburg und Frankfurt am Main.

In einem weiteren Ranking wird die Entwicklungsdynamik der Städte beurteilt. Dabei sei vor allem bemerkenswert, dass sich einige ostdeutsche Städte nach Jahren der Strukturschwäche mit beachtlichem Tempo entwickelten, so Bahrke. Das betreffe vor allem Leipzig, Erfurt und Dresden, aber auch Berlin. Als besorgniserregend bewertet das IW dagegen die Tendenz im einstigen industriellen Kerngebiet Westdeutschlands. Gleich neun Ruhrgebietsstädte tummeln sich zusammen mit Bremerhaven auf den zehn letzten Plätzen des Rankings, mit Gelsenkirchen, Herne und Oberhausen als Schlusslichter.

Hier drohe eine ganze Region, die »den Strukturwandel nicht bewältigt habe«, dauerhaft abgehängt zu werden, warnte der stellvertretende Chefredakteur der »WirtschaftsWoche«, Henning Krumrey. Auch ausgewiesen wirtschaftsliberale Institutionen wie das IW mögen angesichts dieser »dramatischen Entwicklung« nicht mehr uneingeschränkt auf die Marktwirtschaft vertrauen. Er begrüße Überlegungen, den bislang auf die Förderung Ostdeutschlands ausgerichteten Solidaritätszuschlag künftig auch in strukturschwachen Gebieten im Westen einzusetzen, erklärte Bahrke.

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