Selbst Jugendliche schlagen Roma

Wiederholte Übergriffe in Halle-Silberhöhe / Rassistische Demonstration kurzfristig abgesagt

  • Hendrik Lasch, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit Juli gibt es im Hallenser Stadtteil Silberhöhe gehäuft Angriffe auf dort lebende Roma. Am Freitag gehen, anders als geplant, jedoch nur deren Unterstützer auf die Straße.

Die Angreifer waren zwischen 10 und 13 Jahre alt. Mitte September wurden eine junge Romafrau und ihr zwei Jahre alter Sohn in Silberhöhe, einem Plattenbauquartier in Halle, von den Jugendlichen attackiert. Sie bespuckten die Frau und schlugen dem Jungen ein Lineal ins Gesicht. Ende Oktober wurde ein farbiges Mädchen auf einem Spielplatz gar so übel zugerichtet, dass sie im Krankenhaus behandelt werden musste. Und wieder waren die Täter Jugendliche.

Die Anstifter freilich sind erwachsen. Sie betreiben Internetseiten wie »hallemax.de«, auf denen in schärfstem Ton und teils mehreren Einträgen am Tag gegen »Überfremdung« und gegen Roma gehetzt wird. Der Betreiber soll in sozial schwierigen Verhältnissen in Silberhöhe leben. Verbale Unterstützung erhält er von der »Brigade Halle«, einer vor allem auf Facebook aktiven Gruppe, in der stadtbekannte Nazis agieren.

Im Fokus ihrer Aggressionen steht eine Gruppe von 40 Familien, die der Minderheit der Roma angehören und aus Rumänien sowie Spanien zugezogen sind - im Rahmen der EU-weiten Freizügigkeit. Viele leben in zwei Blöcken in dem Viertel, in dem die Mieten vergleichsweise günstig sind. Anders als Flüchtlinge, haben sie sich die Wohnungen selbst gesucht.

Von Beginn an schlug den Zuzüglern indes Abneigung entgegen, teils auch Aggression und Hass. Vor allem die Kinder berichteten von Pöbeleien auf der Straße oder im Supermarkt, heißt es bei der Mobilen Opferberatung Halle. Später bildete sich eine so genannte »Bürgerwehr«, die mit Patrouillen in Silberhöhe »für Ruhe und Ordnung« sorgen wollte. Ein erster Rundgang wurde durch eine Gegendemonstration des Bündnisses »Halle gegen Rechtsextremismus« verhindert; in welchem Umfang es später zu Patrouillen kam, ist unklar. Die Stimmung aber heizte sich zunehmend auf - es kam zu Übergriffen. Die Opferberatung registrierte zwei körperliche Attacken sowie Beschädigungen von Autos. Sie wurden teils mit rassistischen Parolen bemalt, etwa »Zigeuner raus!«, wobei SS-Runen genutzt wurden; teils wurden Scheiben eingeschlagen oder Autos in Brand gesetzt. Teilweise handelt es sich um Kleintransporter, die die Familien zur Ausübung eines Gewerbes brauchen. Das »Bündnis gegen Rechts« in Halle hatte deshalb einen Spendenaufruf gestartet - und konnte jetzt eine erfreuliche Bilanz ziehen: »Zahlreiche Einzelpersonen sowie Organisationen« hätten zusammen über 2500 Euro gespendet, mit denen Schäden an Autos beglichen werden können.

Das Hallenser Bündnis teilte zugleich mit, dass am Freitag eine Demonstration stattfindet, die sich mit den Zuwanderern solidarisiert - und das, obwohl deren unmittelbarer Anlass entfallen ist. Angekündigt war eine Demonstration unter dem Motto »Asylflut stoppen«, von der es anfänglich hieß, sie stehe im Zusammenhang mit der bundesweiten Bewegung HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten). Das traf offenbar nicht zu; allerdings soll es Bezüge zur »Brigade Halle« gegeben haben. Schätzungen sprachen von bis zu 5000 Teilnehmern; die Polizei nahm die Ankündigung sehr ernst. Inzwischen ist die Anmeldung aber zurückgezogen worden. An der Demonstration gegen Rassismus hält das »Bündnis gegen Rechts« dennoch fest: »Die Hetze im Internet, die Beleidigungen auf der Straße und das Gewaltpotenzial hören ja nicht auf«, heißt es.

Zudem soll versucht werden, den Aggressionen in Silberhöhe durch die Vermittlung von Wissen entgegenzutreten. Der Verein »Miteinander« lädt für den 10. Dezember zur ersten einer Reihe von Veranstaltungen ein, in der es um Freizügigkeit und angeblichen »Sozialtourismus« sowie die Lebenswirklichkeit rumänischer und bulgarischer Romafamilien geht.

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