Belgrad als Ost-West-Brücke

Serbien folgt beim OSZE-Vorsitz auf die Schweiz - und wird unter Druck gesetzt

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.
Mitten in der Ukrainekrise wird ein Gratwanderer zwischen Ost und West den Vorsitz der OSZE von der Schweiz übernehmen: Sorgenvoll blickt Serbien der Herausforderung entgegen.

Die Schweiz reicht den Staffelstab weiter. Und blickt zuvor nach Basel, wo fast 5000 Ordnungshüter das am Donnerstag beginnende Politspektakel des Außenministertreffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sichern. Sorgenvoll blickt Serbien der Übernahme des OSZE-Vorsitzes zum Neuen Jahr von der Schweiz entgegen.

Belgrad stehe vor einer »großen Herausforderung«, da es sich als OSZE-Vorsitzender mit der Frage des Ukrainekonflikts und Russland beschäftigen »müsse«, ließ vergangene Woche der sozialistische Außenminister Ivica Dacic ratlos verlauten. Fast schon entschuldigend erklärte der künftige OSZE-Vorsitzende, dass nicht Serbiens derzeitige Regierung, sondern das einst vom vorherigen Staatschef Boris Tadic installierte Kabinett von Premier Mirko Cvetkovic sich um die Aufgabe bemüht habe.

Anstatt Verantwortung zu übernehmen, laufe Serbiens Chefdiplomat wieder einmal vor ihr davon, schäumt verärgert Ex-Präsident Tadic - und bemerkt spitz, dass die Entscheidung zur Kandidatur um den OSZE-Vorsitz auch vom damaligen Vizepremier Dacic mitgetragen worden sei. Jedes »normale Land« würde sich wünschen, einer internationalen Organisation vorzustehen und »seine Fähigkeiten zur Lösung von internationalen Problemen zu zeigen«, klagt Tadic: »Aber Dacic fürchtet sich offenbar schon, bevor er den Vorsitz der OSZE übernimmt: Mit solchen Aussagen beschämt er Serbien und verbreitet den Eindruck, dass wir ein Land unfähiger und unverantwortlicher Menschen sind.«

Eigentlich müsste der EU-Anwärter mit den guten Kontakten zu Russland als selbst erklärte Brücke zwischen Ost und West in der Ukrainekrise der ideale OSZE-Vorsitzende sein. Doch unschlüssig, widersprüchlich, ängstlich und ratlos übt sich Serbien im mühsamen Spagat zwischen Brüssel und Moskau. Einerseits erklärt Belgrad, die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren. Dennoch spricht sich der EU-Anwärter gegen die von der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen Russland aus - und ließ im November zwei Abgeordnete der Regierungspartei als Beobachter zu den Wahlen der Separatisten der Ostukraine nach Donezk und Lugansk reisen.

Die Krise in der Ostukraine hat die in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden drohende OSZE zwar merklich revitalisiert. Doch übernimmt mit Serbien nicht nur ein politisch geschwächter und besonders im Ukrainekonflikt um die eigene Position ringender Transformationsstaat das Vorsitzruder. Belgrad balanciere immer mühsamer zwischen Moskau und dem Westen, konstatiert die Belgrader Zeitung »Blic«: Der OSZE-Vorsitz sei für Serbien auf der globalen Szene zwar eine »große Chance«, doch die Koordination einer derart großen Organisation auch »voller Fallen«.

Der Vorsitz der OSZE sei eine »große Gelegenheit für die internationale Bestätigung des Staats«, aber schließe einen »Schiffbruch« nicht aus, warnt der frühere Außenminister Vuk Draskovic. Ein Glaubwürdigkeitsproblem macht der Ex-Dissident bei der latent gegen die EU gerichteten Einstellung vieler Würdenträger sowie bei der nachlässigen Umsetzung des von der EU durchgedrückten Abkommens mit Kosovo aus. Mit dem »schmutzigen Gepäck« einer vom »Hass auf den Westen trunkenen Elite« bleibe der Außenminister auch als OSZE-Vorsitzender »ohne jegliche Autorität«: »Hinzu kommt, dass ihm die Strategie der Regierung keinerlei Manöverraum lässt.«

Mit Hilfe der Einbettung in einer Führungstroika mit dem Vorgänger Schweiz und das 2016 den Vorsitz übernehmende Deutschland soll der Balkanstaat die OSZE wenigstens ohne größere Pannen durch ihr 40. Jahr lotsen.

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