Auf der Suche nach Ramdohr

Bremens Finanzamt will die NS-Zeit aufarbeiten - die Ära eines Funktionärs wird vergessen

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Rudolf-Hilferding-Platz wird noch bis Ende März eine Ausstellung des Bremer Finanzamtes zur NS-Vergangenheit der Behörde gezeigt. Doch diese ist nicht vollständig - die Täterseite bleibt nebulös.

Das Bremer Finanzamt will sich erklärtermaßen seiner Nazi-Vergangenheit stellen: Die Behörde zeigt eine Ausstellung über die gegen Juden gerichtete Ausbeutungs- und Vernichtungspraxis der Finanzverwaltung des Stadtstaates im Nationalsozialismus und über die anschließende Verdrängung und Verschleierung.

Eine solche Ankündigung weckt die Hoffnung, endlich auch mehr zu erfahren über die Namensgebung der »Ramdohrstraße«. Schließlich drängen sich in Bremen bei diesem Namen durchaus Verbindungen auf zwischen Finanzbehörde und Nazi-Regime. Das Straßenschild gibt keinen Hinweis.

Die Recherche zeigt allerdings, dass es mit der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit des Bremer Finanzamtes trotz der fulminant angekündigten Ausstellung noch nicht so weit her ist. Eine Nachfrage im für Straßen zuständigen Bauressort ergibt zunächst, dass über Straßennamen die Ortsbeiräte etwas wissen müssten. Immerhin wird die passende Ortsamts-Nummer mitgeteilt.

Aber der Ortsbeirat berät und entscheidet solche Fragen gemeinsam mit dem Bremer Staatsarchiv. Also gibt es wieder nur eine Telefonnummer, diesmal von jemandem im Staatsarchiv, der etwas über Ramdohr wissen könnte. Ein netter, junger Mann könnte etwas herausfinden, was aber dauern würde, weil - wie er sagt - Unterlagen zu alten Straßennamen noch nicht auf Mikrofiche verfilmt wurden. Er will suchen und zurückrufen, was dann ausbleibt.

So richten sich die Hoffnungen folgerichtig auf die aktuelle Ausstellung »Ausplündern und Verwalten« im früheren »Haus des Reichs«, heute Sitz des Bremer Finanzamtes. Die Exposition entpuppt sich als ganz gut bestückt mit Materialien, was die Seite der Opfer betrifft. Gezeigt werden Gegenstände, die Bremer Finanzbeamte zur Zeit des Nationalsozialismus von Juden konfiszierten. Die Seite der Täter dagegen bleibt ziemlich nebulös. Gundula Rentrop vom Finanzamt betreut am Eröffnungstag die Schau und will helfen - aber der Name »Ramdohr« sagt ihr nichts. Was vielleicht daran liege, dass die Täter nach 1945 ihre Spuren verwischt haben, mutmaßt sie und verweist wieder auf das Staatsarchiv.

Bevor Recherche-Frust aufkommt, wird Rettung im Internet gesucht. Zur Suchanfrage »Enno Ramdohr« kommt der Hinweis, dass einige Ergebnisse möglicherweise aufgrund der Bestimmungen des europäischen Datenschutzrechts entfernt wurden. Aber es gibt trotzdem reichlich Treffer. Lauter »Buchfreunde« bieten ein Werk von Enno Ramdohr aus der Nazi-Zeit an. Darin erläutert er als Verwaltungsspitzenfunktionär des Nazi-Regimes Verwaltungsdinge.

Immerhin ist durch die Suche im weltweiten Netz der entscheidende Hinweis gekommen. In der Stadtbibliothek gibt es ein Exemplar des Bremer Straßenverzeichnisses, welches offenbart, dass jene Straße Enno Ernst Friedrich Ramdohr (1888-1953) gewidmet wurde, weil er Staatsrat und Leiter der Bremer Finanzverwaltung war.

Und dann findet sich in der öffentlichen Bibliothek noch die 1969 vom Staatsarchiv gemeinsam mit der Historischen Gesellschaft herausgegebene »Bremische Biographie 1912 - 1962«. Ramdohr wird darin fast eine komplette Seite gewidmet, auf der auch seine Karriere ab 1933 in der NS-Postverwaltung beschrieben ist. Die endete erst mit der Auflösung des Reichspostministeriums der Nazis; Ramdohr war inzwischen Ministerialdirigent. Er wurde ein Jahr nach Kriegsende in den Ruhestand versetzt und ein weiteres Jahr später - also 1947 - nach Bremen geholt, unter anderem wegen seiner »auf Erfahrung und Menschenkenntnis gestützten, unbürokratischen Arbeitsweise«.

Als Ramdohr sechs Jahre später - noch immer im Amt - plötzlich starb, ordnete der Bremer Senat einen Staatsakt in der Oberen Rathaushalle an. Ein Jahr drauf wurde eine neue Straße nach Enno Ramdohr benannt.

Die Ausstellung »Ausplündern und verwalten« am Bremer Rudolf-Hilferding-Platz 1 ist werktags von neun bis 15 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist kostenlos.

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