nd-aktuell.de / 03.12.2014 / Kultur / Seite 12

Kaltes Eisen, warmes Blut

Das hier abgebildete Kunstobjekt glänzt. Es mutet edel an und sauber. Man könnte es sich vorstellen als Tischdekor auf dem polierten Glastisch in einer Lounge, umgeben von bequemen Ledersesseln, auf denen sich die Wartenden ihre Zeit vor der Weiterreise vertreiben. »Waffenlounge« nennt das Hebbeltheater am Ufer (HAU) seinen aktuellen Themenschwerpunkt - ein beunruhigendes Kompositum: das Tötungsinstrument, in einem Wort verschmolzen mit dem exklusiven Wohlfühlraum. Wer sich den aus Patronen verschweißten Kunstpanzer als hübsches Accessoire in einer Lounge vorstellen kann, muss sich auch vorstellen können, dass dieses Ding plötzlich losgeht. Seine Bestandteile würden sich auf ihre ursprüngliche Berufung besinnen, die Projektile in die wartenden Körper schießen, die edle Ledercouch mit warmem Blut tränken.

Der Themenschwerpunkt »Waffenlounge«, teilt das HAU mit, soll vom 3. Dezember bis zum 11. Januar in allen drei Spielstätten mittels Performances, Installationen, Expertengesprächen und eines Schülerprojekts »das paradoxe Verhältnis unserer Gesellschaft zu Waffen beleuchten«. Wobei das »Beleuchten« durchaus keinen einlullenden Lounge-Glanz meint, sondern im Sinne des englischen Wortes »Enlightenment« zu verstehen ist: Aufklärung.

Einer, der das Theater als Bühne solcher Entschleierung begreift, ist der Dokumentartheaterregisseur Hans-Werner Kroesinger. Etwa 2000 Buch- und Aktenseiten studiert er akribisch, bevor er die aus den Recherchen gewonnenen Erkenntnisse in ein politisches Kunstwerk umsetzt. Dabei enthält sich Kroesinger der Parteinahme; es geht ihm um das Hervorholen verborgener und verkannter Tatsachen - und um die Herausforderung des Publikums, diese Fakten in einen Zusammenhang zu stellen, aus dem sie sich selbst nicht ausnehmen können.

Mit der Premiere von Kroesingers neuem Stück »Exporting War« im HAU 1 (3. Dezember, 20 Uhr) öffnet die »Waffenlounge« ihre Türen für das Publikum. Ausgehend von einem kleinen Dorf im Schwarzwald, wo seit 200 Jahren vermeintlich saubere Tötungsmaschinen hergestellt werden - »Bei Handfeuerwaffen sind wir die Innovativsten« - verfolgt Kroesinger die Wege dieser Waffen aus dem Dorf hinaus, hinein in Kriege, Krisen und Konflikte, in denen sie ihr Werk verrichten. Das Stück stellt Fragen, etwa: »Welche Interessen verbinden Industrie, Wissenschaft, Politik und Absatzmärkte?« Oder: »Welche Waffensysteme machen die neuen asymmetrischen Kriege erforderlich?« Ihrer Beantwortung soll im Anschluss an die Aufführung am 13. Dezember auch ein Gespräch des Theatermachers mit dem Politiker Hans-Christian Ströbele (Grüne) und der Journalistin Ulrike Winkelmann (taz) näherkommen. mha Foto: HAU

»Exporting War«, 3. und 4., 8. bis 12., 13. und 14., 16. und 17., 19. und 20.12., jeweils 20 Uhr