Ein Belgier aus Sachsen

Michael Rösch ist zurück im Biathlonweltcup

  • Hajo Obuchoff
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach mehr als zwei Jahren kehrt Michael Rösch zurück in den Weltcup - nach einem langwierigen Wechsel der Staatsbürgerschaft.

»O liebes Land, o Belgiens Erde, Dir unser Herz, Dir unsere Hand,« so beginnt die belgische Nationalhymne. Michael Rösch lernt sie gerade. Zu seinem Glück gibt es auch eine deutsche Version. Michael Rösch aus Altenberg, 2006 mit der Biathlon-Staffel Olympiasieger für Deutschland, läuft ab Mittwoch beim Weltcup in Östersund unter belgischer Flagge.

Der Sachse war 2009 in ein Formtief geraten. Auch privat hatte er sich zu viel aufgeladen. Der Bau seines Hauses in Altenberg war wohl der Tropfen zu viel im Fass. »Das war völlig sinnlos, weil das unglaublich viel Kraft und Zeit gekostet hat«, erzählte Rösch einmal. 2012 schien es sportlich wieder zu laufen, da kam eine Krankheit hinzu. Dass man beim Deutschen Ski-Verband mit ihm nicht mehr rechne, erfuhr er nebenbei. Michael Rösch fühlte sich abgeschoben.

Irgendwann glaubte er, nur durch einen Wechsel des Verbandes wieder Erfolg haben zu können. Für seine Leidenschaft Biathlon gab er sogar seinen Beamtenstatus bei der Bundespolizei auf. Er beschloss, Belgier zu werden.

Der Wechsel der Staatsbürgerschaft entwickelte sich zu einem Langstreckenrennen. Zwei Jahre vergingen, bis Rösch den belgischen Pass in der Tasche hatte. »Im Prinzip befand ich mich schon auf dem Weg zum Arbeitsamt, um Hartz IV zu beantragen, denn ich war ja arbeitslos. Keine einfache Situation«, erzählte Rösch der Zeitung »Freie Presse«. »An diesem Punkt kam ein regionaler Sponsor aus Dresden ins Spiel, der mich durchgeboxt hat. Ohne den hätte das nie funktioniert. Ich weiß genau, wem ich was zu verdanken habe.«

Der erste große Erfolg kam im August bei der Sommer-WM im sibirischen Tjumen: Nach Silber im Sprint gab es mit Gold in der Verfolgung den ersten Biathlon-WM-Titel für Belgien. »Als ich damals ins Ziel gekommen bin, ging erst alles so schnell, ich stand mit der Fahne bei der Siegerehrung, habe zum ersten Mal die belgische Hymne für mich gehört«, sagte der Neu-Belgier. »Erst im Nachhinein ist mir bewusst geworden, was das für dieses kleine Land und unseren Sport dort bedeutet.« Für Röschs sportliche Laufbahn war dieser Sieg indes auch in finanzieller Hinsicht wichtig. Die Siegprämie reichte, um einige Löcher in seinem knappen Budget für diese Saison zu stopfen.

Vorbereitet hatte sich Rösch mit den Norwegern Lars Berger und Alexander Os sowie seinem Trainer und einem Betreuer. Ein kleines aber feines Team: »Ich habe von den beiden Norwegern sehr viel gelernt«, sagt Rösch. Und in Altenberg traf er Klaus Siebert, der dort als Stützpunkttrainer arbeitet. Beziehungen sind nützlich. So stellt ein alter Bekannter einer Skifirma Rösch konkurrenzfähiges Material zur Verfügung.

Röschs großes Ziel: die Olympischen Spiele in Pyeongchang (Südkorea). »Ole Einar Björndalen ist auch mit 40 Jahren noch Olympiasieger geworden«, sagt der Biathlet in belgischen Diensten. Probleme mit seinen einstigen Landsleuten sieht er nicht: »Ich komme mit allen gut klar und will auch keine Stimmung machen.« Und auch zurückblicken mag er nicht länger. Nach 990 Tagen Zwangspause vom Weltcupzirkus will der Rückkehrer loslegen: »Ich brenne darauf, dass es losgeht.«

Knapp vier Jahre liegen noch vor seinem großen Ziel Olympia. Bis dahin wird Michael Rösch wohl auch die letzten Zeilen der belgischen Hymne kennen: »...und fortan singen Deine Söhne: Gesetz und König und die Freiheit hoch!«

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