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Bundesregierung unterstützt Backlash durch Nichtstun

Die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion zu sexueller Gesundheit offenbart Desinteresse

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundesregierung hat weder mit den sogenannten Lebensschützern ein Problem, noch sieht sie Handlungsbedarf in anderen Fragen sexueller Rechte.

Es gibt kein Problem und wenn es doch eins gibt, dann ist es nicht unseres. So könnte die Haltung der Bundesregierung zum Stand sexueller Rechte und Gesundheit zusammengefasst werden. Beispiel: »Gehwegberatungen« von sogenannten Lebensschützern, die vor Abtreibungskliniken und Schwangerschaftsberatungen stehen und Frauen belästigen.

»Sofern mit den genannten Gehsteigberatungen die Begehung von Straftaten verbunden ist, werden diese von den Strafverfolgungsbehörden geahndet«, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN zu »Sexuellen und reproduktiven Rechte und Gesundheit«. Auch in anderen Fragen zu Aktionen von Abtreibungsgegnern verweist sie auf die Polizei, ein gesellschaftliches Problem sieht sie nicht. Eher wortkarg verweist sie auf das Recht eines »ungehinderten Zugangs« zu einer »ergebnisoffenen« Beratung, die »die Frau ermutigen und Perspektiven für ein Leben mit dem Kind aufzeigen« soll.

»Die Antworten der Bundesregierung zum Stand der Garantie sexueller und reproduktiver Rechte zeigen ein erschütterndes Desinteresse. Seien es die sogenannten Gehsteigberatungen, bei denen die Selbstbestimmung von Frauen, so wie sie die Konfliktberatungsstellen anbieten, gezielt unterlaufen wird, oder der Tanz um die Rezeptfreiheit der Pille danach, immer stellt sich die Bundesregierung - zumeist durch Untätigkeit und Desinteresse - auf die Seite des bevormundenden Patriarchats«, erklärt die frauenpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der LINKEN, Cornelia Möhring.

Rund 20 000 Schwangerschaftsabbrüche werden in Deutschland jährlich vorgenommen. Nach geltender Beratungsregelung ist der Schwangerschaftsabbruch zwar grundsätzlich rechtswidrig, bleibt aber unter bestimmten Bedingungen innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei: Demnach muss die Schwangere den Abbruch verlangen und sich zuvor beraten lassen. Für Abbrüche bis zur 22. Woche muss zudem eine medizinische Indikation vorliegen, also eine Gefahr für das Leben oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren.

Abtreibungsgegnern ist bereits diese Möglichkeit ein Gräuel. Ihr konservatives Wertebild tragen sie seit einigen Jahren auch wieder auf die Straße, wie beim »Marsch für das Leben«, zu dem in Berlin in diesem Jahr rund 6000 Abtreibungsgegner und fundamentalistische Christen gekommen waren. Zwar nimmt die Teilnehmerzahl der Märsche jährlich zu, doch auch die Proteste verstärken sich. Aufgerufen hatten in diesem Jahr das Aktionsbündnis »what the fuck« und das »Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung«, zu dem unter anderem der Humanistische Verband Deutschlands sowie der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg gehören.

Die sogenannten Lebensschützer wurden fast durchgehend von feministischem Protest in Form von Parolen, Plakaten und Farbpulver begleitet. Mehrmals gelang es, den Marsch zu blockieren. Gefordert wurde unter anderem das Recht auf Schwangerschaftsabbruch.

Der »Marsch des Lebens« wird indes auch von CDU-Abgeordneten unterstützt. Zu den Teilnehmern und Rednern gehörte etwa der nordrhein-westfälische CDU-Bundestagsabgeordnete Hubert Hüppe, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender der »Christdemokraten für das Leben« ist. Auch der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder schickt regelmäßig Grußworte.

Neben dem Thema Schwangerschaftsabbruch wurde die Haltung der Bundesregierung zu gewollten Schwangerschaften bei lesbischen Paaren abgefragt. Auch hier kein Handlungsbedarf: Eine Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung für eingetragene Lebenspartnerschaften sei derzeit nicht beabsichtigt. Möhring kritisiert diese Haltung: »Klar ist, dass wir bei der Abschaffung des Paragrafen §218 als uralte politische Forderung bleiben. Wir werden auch nicht hinnehmen, dass Reproduktionsmedizin lesbischen Frauen und Alleinlebenden weiterhin vorenthalten werden soll.«

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