Heißes Pflaster für Autodiebe

Soko machte eine Bande dingfest / Zahl der Fälle an der Grenze halbierte sich innerhalb eines Jahres

Die Aufklärungsquote bei Autodiebstählen konnte jetzt auf 30,2 Prozent gesteigert werden. 2013 lag sie nur bei 11,5 Prozent.

Mit einer gebogenen Spitze öffneten die Autodiebe die Fahrertür, mit technischer Raffinesse lösten sie die Wegfahrsperre. Nur beim Zündschloss wendeten sie rohe Gewalt an. Mindestens 60 Fahrzeuge im Gesamtwert von rund 450 000 Euro hat eine Bande aus der Gegend von Zielona Gora gestohlen, 44 in Brandenburg, 14 in Berlin und je eins in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Bevorzugt in der Nähe von Autobahnen schlug die Bande zu.

Doch die Sonderkommission (Soko) Grenze legte den Verbrechern nun das Handwerk. Am Mittwochmorgen vergangener Woche wurden drei 18-Jährige in Frankfurt (Oder) bei dem Versuch festgenommen, einen VW-Transporter aufzubrechen. Das war kein Zufall. Sie wurden observiert, als sie aus Slubice zu Fuß über die Stadtbrücke kamen und sich nur einige Straßen weiter ans Werk machten.

Zwei Dutzend junge Männer gehören zu der Bande, die Hehler nicht mitgerechnet. Die Arbeit war genau aufgeteilt. Mechaniker knackten Audi oder VW der Baujahre 2004 bis 2010, Kuriere brachten diese Fahrzeuge in Frankfurt (Oder), Guben oder Forst über die Grenze und tauschten die Nummernschilder im Wald gegen polnische Kennzeichen. Schrauber zerlegten die Fahrzeuge innerhalb von Stunden. Die Einzelteile wurden verkauft.

75 Prozent der Autodiebstähle in Deutschland werden inzwischen von international agierenden Banden verübt. Der Einzeltäter, der im Ort wohnt, war in den 1990er Jahren noch die Regel, ist aber selten geworden. Die Kuriere erhalten 300 bis 500 Euro pro Auto, die Knacker und die Schrauber auch nicht viel mehr. Sie sind in der Regel mittellos und oft drogenabhängig, ernähren mit ihren Straftaten sich und ihre Familien und finanzieren so ihre Sucht. Reich werden nur die Bandenchefs, die sich Häuser kaufen und anderen Luxus gönnen.

Die Soko wurde im Februar darauf aufmerksam, dass sich das Vorgehen bei einigen Autodiebstählen ähnelte, erklärte Kriminalhauptkommissar Stefan Grimm am Mittwoch. Die Ermittlungen, die sich zunächst gegen Unbekannt richteten, liefen unter der Bezeichnung »Leipzig«, da am Leipziger Platz in Frankfurt (Oder) die ersten Fahrzeuge nach dieser Methode entwendet wurden. Im Laufe der Monate gingen mehrere Komplizen ins Netz, auch die polnische Polizei nahm Täter fest, bevor am 26. November die drei mutmaßlichen Hauptverantwortlichen auf frischer Tat ertappt werden konnten. Im laufenden Jahr eröffnete die Soko 14 Verfahren gegen Banden, berichtete Leiter Jens Starigk. Er und seine 50 Ermittler können Erfolge vorweisen. Vom 1. Januar bis zum 30. November gab es in Brandenburg 2790 Autodiebstähle. Das waren 16,6 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In den Städten und Gemeinden an der polnischen Grenze sank die Zahl der Fälle von 619 auf 355, in Frankfurt (Oder) von 267 auf 136, in Schwedt von 69 auf 23 und in Guben von 83 auf 51.

»Das zeigt, das wir auf dem richtigen Weg sind. Das zeigt aber auch: Wir müssen am Ball bleiben«, sagt Landeskriminalamtschef Dirk Volkland. Im Jahr 2011 wurde die Soko eingerichtet wegen des damals sprunghaft zunehmenden Autoklaus an der Grenze. Nach Volklands Einschätzung wird die Kriminalpolizei noch fünf Jahre viel mit Autodiebstählen zu tun haben, falls die Autohersteller nicht aufrüsten. Mitte der 1990er Jahre habe es wegen der Einführung der elektronischen Wegfahrsperre einen deutlichen Rückgang der Delikte gegeben. Davon abgesehen bleibt Volksland nur die Hoffnung und das Ziel, »dass sich in Polen herumspricht, dass Brandenburg ein heißes Pflaster für Diebe Hehler und Kuriere geworden ist.«

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