Lob des Sitzenbleibens

Linkspartei erinnerte in der Wabe an Karl Liebknechts Widerstand gegen die Kriegskredite vor 100 Jahren

  • Josephine Schulz
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor hundert Jahren war es Karl Liebknecht, der sitzen blieb - als Einziger, als seine gesamte Partei aufstand und für die Kriegskredite stimmte. Heute, so sagt Oskar Lafontaine, »müssen wir aufstehen gegen die ganze Volksverdummung und erneuten Kriegslügen«. Denn eine Stimme gegen den Mainstream, der in einer stetigen Militarisierung des Denkens bestehe, sei »dringend nötig«.

Zum Gedenken an den Mut Karl Liebknechts lud die Linkspartei am Dienstagabend in die Berliner Wabe ein. Sahra Wagenknecht, Oskar Lafontaine, Sevim Dagdelen und Gregor Gysi meldeten sich zu Wort. Einziger Wermutstropfen für die Genossen: Konstantin Wecker und Esther Bejarano, die für die musikalische Untermalung des Abends hätten sorgen sollen, fehlten krankheitsbedingt.

Stattdessen kam Gina Pietsch und rezitierte mit Reibeisen-Stimme Lieder, die an die Nieren gehen. »Wo immer geschwiegen wird, dort wird er sprechen, und wo Unterdrückung herrscht und von Schicksal die Rede ist, wird er die Namen nennen«, so eröffnete sie mit Brechts »Lob des Revolutionärs« die Veranstaltung. Auf Brecht folgten andere alte Bekannte: Kurt Tucholsky, Erich Mühsam, Ernst Bloch, Erich Kästner - Autoren, deren Texte angesichts der derzeitigen politischen Lage nichts von ihrer Aktualität verloren haben.

Auch die Redner bedienten sich gern der poetischen Worte großer Namen: Sogar Goethe habe es gewusst, sagte Wagenknecht, und seinem Mephisto die Worte in den Mund gelegt: »Krieg, Handel und Piraterie, dreieinig sind sie und nicht zu trennen.« Oder, wie es Jean Jaurès ausgedrückt habe: »Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen.« Aber auch an klaren Worten zur heutigen Lage fehlte es nicht. Die Außenpolitik, so Lafontaine, sei einzig und allein ein Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte: »Wer einem erzählt, es ginge um Demokratie und Freiheitsrechte - alles gelogen!«

Mehrfach wird an diesem Abend Bilanz gezogen über die »Erfolge« des Westens, deren »humanitäre Rettungsaktionen« ihre Spuren quer über den Globus hinterlassen: Jugoslawien, Afghanistan, Irak, nirgendwo sei es heute besser als vorher. Im Gegenteil. Grüne, Sozial- und Christdemokraten, alle bekommen ihr Fett weg. »Im Kanzleramt sitzt eine Frau, die allen Ernstes sagt, dass sie 25 Jahre nach dem Mauerfall niemals geglaubt hätte, dass es wieder Kämpfe um Einflusssphären und Völkerrechtsbruch geben könnte«, schimpft Lafontaine. Da müssen sogar die Menschen im Publikum herzlich lachen. Heuchelei nennt er das, ein Wort, das an diesem Abend nicht nur einmal fiel. Denn nichts anderes sei es, so meint auch Wagenknecht, wenn Gauck, von der Leyen und Co. von Humanität sprächen, während Deutschland als weltweit drittgrößter Waffenexporteur kräftig am Krieg verdiene.

Je klarer die Worte, desto lebendiger das Publikum - und der Applaus. Am Ende hat sich das Publikum wohl müde geklatscht, als der Rapper von der »Microphone Mafia« die Bühne betrat. Der ließ sich nicht beirren und animierte fleißig zum Mitsingen, allerdings mit eher bescheidenem Erfolg. Vielleicht war es zu so später Stunde dann doch der hohe Altersdurchschnitt des Publikums, der sich bemerkbar machte, denn mehr als zu einem zaghaften Fußwippen reichte es nicht mehr.

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