Gräben zwischen »konzentrischen Kreisen«

Industrie- und Entwicklungsländer geraten auf dem Klimagipfel in Lima auf Konfrontationskurs

  • Benjamin Brackel 
und Nick Reimer, Lima
  • Lesedauer: 4 Min.
Brasilien hat für einen möglichen Weltklimavertrag einen Mechanismus der »konzentrischen Kreise« vorgeschlagen. Doch tiefe Gräben zwischen den Ländern erschweren die Einigung.

Wenn am heutigen Montag Umweltministerin Barbara Hendricks und ihre Kollegen aus aller Welt in Lima ankommen, müssen sie 13 Hindernisse passieren. Hier, auf dem Gelände des Militärhauptquartier, trainieren sonst Soldaten: Wände erklettern, Gräben überwinden und sich durch Spalten quetschen. Nicht viel anders ergeht es den Verhandlern auf der Klimakonferenz: Sie wollen einen Entwurf für einen Weltklimavertrag zustande bringen, um diesen dann in Paris 2015 zu beschließen. Ein Kraftakt.

An zwei Knackpunkten dürfte sich entscheiden, ob Lima erfolgreich den Weg für ein Abkommen ebnet: den Verpflichtungen zur CO2-Reduktion und den Finanzen. Eigentlich hatten die Verhandler aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Den Ländern wurde viel Zeit gegeben, um nachzudenken, was sie bereit sind, für den Klimaschutz zu tun. Im ersten Quartal 2014 soll jedes Land seine Ziele bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vorlegen. Mit der EU, China und den USA haben die größten Emittenten bereits geliefert. Klar ist schon jetzt, dass das »Paris-Protokoll« längst nicht reichen wird, um das Zwei-Grad-Ziel noch zu erfüllen. Aber indem jeder seine Ziele selbst wählt, ist die Hürde niedrig, dass auch alle mitmachen. Und nach ein paar Jahren sollen die Ziele weiter angezogen werden. Der Streitpunkt ist nur: alle fünf Jahre oder alle zehn Jahre? Und wie viel sollen die Entwicklungs- und Schwellenländer beitragen, die im Kyoto-Protokoll noch ausgenommen waren?

China hat zumindest schon das Eis gebrochen und versprochen, ab 2030 damit anzufangen, seine Treibhausgase zu senken. Indien könnte als weiterer großer Emittent schon im Januar nachlegen, wenn US-Präsident Barack Obama zu Besuch kommt, heißt es auf dem Verhandlungsparkett. Allerdings dämpft das Land zu große Erwartungen: »Wir erwarten ein Klimaregime, das das Recht der Entwicklungsländer respektiert, sich zu entwickeln und die Armut zu senken«, sagt Delegationschef Ravi Prasad.

Brasilien hat als Kompromiss nun einen Mechanismus der »konzentrischen Kreise« vorgeschlagen. Im innersten Ring sind die Industriestaaten, die absolute, die ganze Wirtschaft betreffende Ziele abgeben müssen; im mittleren Ring sind die Schwellenländer, die nur relative Ziele abgeben müssen, etwa gemessen am Bruttosozialprodukt. Im äußersten Ring schließlich sind die Entwicklungsländer, die Ziele abgeben, welche nicht die gesamte Wirtschaft betreffen. Im Laufe der Zeit sollen dann alle Länder immer weiter in die Mitte rücken. Die Industrieländer aber halten dagegen, die Schwellenländer würden in Sachen Treibhausgas-Ausstoß rapide aufholen.

Auch um die Finanzen wird gestritten. Zwar wurde durch eine Finanzzusage Norwegens die Mindestanforderung für den Grünen Klimafonds faktisch erreicht. Auf dem Klimagipfel in Kopenhagen haben die Industriestaaten versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an die Entwicklungsländer zu überweisen, damit die sich dem Klimawandel anpassen. Die UNEP prognostiziert in einem Bericht, dass die Kosten für die Anpassung in den Entwicklungsländern rapide ansteigen: 2015 müssten 100 Milliarden Dollar investiert werden, 2030 500 Milliarden Dollar.

Die Industrieländer verweisen ihrerseits auf ein neues Gutachten der UNO zu den Klimafinanzen. Demzufolge könnten die versprochenen 100 Milliarden Dollar schon längst erreicht sein: Zwischen 40 und 175 Milliarden Dollar Klimahilfe würden schon vom Norden in den Süden fließen, etwa über Entwicklungsbanken und Export-Risiko-Garantien. »Wir sind auf gutem Weg, die Finanzfrage zu lösen«, sagt Christina Figueres, die Chefin des UN-Klimasekretariats.

Entwicklungsländer und Umweltverbände sehen das anders: Die Industrieländer hätten mitnichten ihre Schuld beglichen. Denn die zugesagten 100 Milliarden seien »zusätzlich« zu den bisherige Finanzflüssen versprochen worden, sagt Jan Kowalzig. Dem Klimaexperten von Oxfam zufolge dürfe überdies nicht jede Investition als Klimageld verbucht werden. »Wenn ein deutscher Projektierer in Südafrika einen Windpark baut, ist das gut fürs Klima und gut für den Investor: In Südafrika lässt sich mit Windkraft gutes Geld verdienen.«

Entwicklungsländer fordern ihrerseits, dass sich die Industrieländer zu Finanzhilfen im Rahmen der UN-Klimakonvention verpflichten. Und ernten damit erwartungsgemäß Widerstand: »Wir haben in den Verhandlungen klar gemacht, dass wir keine rechtlich verbindlichen Finanzzusagen für die Zukunft machen können«, sagt Franz Perrez, der Chef der Schweizer Delegation. »An dieser Konfrontation könnte die Klimakonferenz in Lima noch scheitern.«

Auf Umweltministerin Hendricks und ihre Kollegen kommt also einiges zu: Sie müssen Wände erklettern, Gräben überwinden, sich durch Spalten quetschen.

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