Dieselfrei in die Stadt

Die Pariser Stadtverwaltung ergreift angesichts erschreckender Feinstaubbelastungswerte radikale Maßnahmen für bessere Luft

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Paris sagt der Luftverschmutzung den Kampf an. Die Stadt will Dieselmotoren von den Straßen verbannen und Kaminfeuer verbieten.

In den vergangenen 18 Monaten ist erstmals in Paris eine Langzeituntersuchung über die Feinstaubbelastung der Luft vorgenommen worden. Der Fesselballon im Parc André Citroën, der normalerweise Touristen eine neue Perspektive auf die französische Hauptstadt eröffnet, wurde dafür genutzt, Messungen zwischen 0 und 300 Metern Höhe vorzunehmen und zu registrieren. Vorher erfolgten solche Untersuchungen immer in Bodennähe. Das Ergebnis der Langzeituntersuchung wurde Ende November vorgelegt - es fiel ernüchternd aus. Zweimal, im Dezember 2013 und im März 2014, war aufgrund der Wetterlage ein extremer Anstieg der Feinstaubbelastung zu registrieren. Während man normalerweise in Paris mit jedem Atemzug im Schnitt 200 000 Feinstaubpartikel einatmet, waren es an diesen Tagen drei Millionen und am 13. Dezember 2013 sogar doppelt so viele. An diesem Tag war die Luft vergleichbar mit der in einem 20 Quadratmeter großen Raum mit acht Rauchern.

In Frankreich sterben jährlich mindestens 42 000 Menschen in Folge der Belastung von Lunge und Blut durch eingeatmete Feinstaubpartikel. In allen EU-Ländern zusammen sind es mindestens 430 000. Während es für die kleinsten, die »Nanopartikel« unter 2,5 Mikrometer, noch keine EU-Norm gibt, schreibt die für den Feinstaub zwischen 2,5 und 10 Mikrometer - letzteres entspricht dem Siebtel eines Haardurchmessers - eine Höchstgrenze von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft über einen Zeitraum von 30 Tagen und von 40 Mikrogramm übers ganze Jahr vor. Die Norm wird von Frankreich seit Jahren nicht eingehalten, weswegen ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig ist.

Angesichts der jüngsten Zahlen hat die von einer rot-grünen Koalition geführte Stadtverwaltung entschieden, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen. In den vergangenen Jahren hatte man schon oft bei schlechten Luftwerten eine Geschwindigkeitsdrosselung um 20 Kilometer pro Stunde (km/h) auf der Stadtautobahn verfügt. Im Dezember 2013 und im März 2014 war man kurz davor, an einem Tag nur Autos mit gerader und am nächsten mit ungerader Nummer fahren zu lassen. Dazu kam es aber nicht, weil sich kurz zuvor die Wetterlage änderte.

Nun soll gegen die hauptsächlichen Quellen der Feinstaubbelastung - Dieselmotoren und Kaminfeuer - entschieden vorgegangen werden. Zudem gibt es Bemühungen, den Parisern das Autofahren zu verleiden, indem immer mehr Straßen zugunsten von Radwegen »zurückgebaut« werden und schrittweise überall in der Stadt - mit Ausnahme weniger Hauptstraßen - nur noch maximal 30 km/h gefahren werden darf. Jetzt sollen etappenweise Autos mit Dieselmotoren, die 60 Prozent des Fahrzeugparks stellen, in der Stadt mit Fahrverbot belegt werden; beginnend mit den ältesten und am stärksten qualmenden Modellen. Das betrifft auch die Lastwagen, wo zunächst nur noch Modelle mit modernen und relativ umweltverträglichen Motoren mit der EU-Norm 5 und 6 zugelassen sind, bevor 2020 alle Lastwagen mit Dieselmotor aus der Stadt verbannt und durch Lieferfahrzeuge mit Elektroantrieb ersetzt werden sollen. Anfang Februar will der Stadtrat den Plan diskutieren, erste Verkehrseinschränkungen soll es ab Mitte 2015 geben.

Doch der Kurs ist nicht unumstritten: Gewerkschaften und Organisationen links der Sozialisten kritisieren, dass man damit die Einkommensschwächsten trifft, die sich nur relativ alte Gebrauchtwagen leisten können. Gerade sie seien aber auf fahrbare Untersätze angewiesen, weil sie oft zu Zeiten zur Arbeit oder nach Hause fahren müssen, wenn keine öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs sind.

Auch dass ab 1. Januar in Paris das Heizen mit Holz im offenen Kamin verboten wird, trifft vor allem die ärmsten Familien, für die das die preiswerteste Möglichkeit ist, ihre Wohnung warm zu bekommen. Sie sind in Paris wesentlich zahlreicher als die gut situierten Bürger, die ihr Kaminfeuer vor allem wegen der Atmosphäre vermissen werden.

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