Kein Verfahren gegen SS-Verbrecher

Gericht hält Verurteilung 
für unwahrscheinlich

  • Lesedauer: 2 Min.

Köln. Ein 89-jähriger früherer SS-Mann muss sich wegen eines Massakers vor mehr als 70 Jahren in Frankreich nicht vor Gericht verantworten. Das Landgericht Köln lehnte die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen den Rentner ab, weil eine aktive Beteiligung an der Mordaktion nicht mehr nachweisbar sei. Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte den Mann wegen gemeinschaftlich begangenen Mordes an 25 Menschen und Beihilfe zum Mord an mehreren hundert Menschen angeklagt.

Bei einem Massaker in Oradour-sur-Glane waren am 10. Juni 1944 insgesamt 642 Zivilisten von SS-Soldaten ermordet worden, darunter 452 Frauen und Kinder. Nur wenige Einwohner überlebten das Massaker, an dem mindestens 120 Soldaten der 3. Kompanie des SS-Panzergrenadierregimentes »Der Führer« beteiligt waren, die zur 2. SS-Panzerdivision »Das Reich« gehörten. Die Division war nach schweren Verlusten an der Ostfront nach Südwestfrankreich verlegt worden.

Der Rentner habe zwar nie bestritten, als Mitglied des SS-Panzergrenadier-Regiments 4 »Der Führer« bei dem Vorfall vor Ort gewesen zu sein, teilte das Gericht am Dienstag mit. Stichhaltige Beweise dafür, dass er selbst Menschen getötet oder aktiv bei der Ermordung geholfen habe, sieht das Gericht aber nicht.
Zur Begründung verwies die Strafkammer unter anderem darauf, dass keiner der im Ermittlungsverfahren vernommenen Zeugen den Mann mit den Geschehnissen in Oradour-sur-Glane in Verbindung gebracht habe und dass sein Name in keiner Vernehmung Erwähnung finde. Auch eine von der Staatsanwaltschaft angeführte »Kompanieliste« stelle kein belastbares Beweismittel dar, befand das Gericht. Die Liste, die den Angeschuldigten als Maschinengewehrschützen einer der am Massaker maßgeblich beteiligten Gruppen aufführe, sei unvollständig. Zudem liege sie nicht im Original vor.

Dem Dortmunder Oberstaatsanwalt Andreas Brendel zufolge wird wegen der Mordaktion in dem französischen Dorf unverändert gegen mehrere weitere Beschuldigte ermittelt. Die Beweislage sei jedoch »äußerst dürftig«, fügte er hinzu. Agenturen/nd

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