Merkel-Mania in Köln

27. Bundesparteitag der CDU bestätigt Parteivorsitzende im Amt

  • Marcus Meier, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.
Stehender Applaus für Angela Merkel auf dem CDU-Bundesparteitag. Mit 96,7 Prozent wurde sie im Amt der Parteivorsitzenden bestätigt. Nur vereinzelt wagten sich ihre Kritiker ans Rednerpult.

Kaum hat sie zu Ende geredet, da stehen die gut 900 Delegierten auf. Allesamt. Und sie spenden Angela Merkel zehn geschlagene Minuten Standing Ovations. Für eine Rede, in der Merkel zuerst sich selbst, dann die CDU und an dritter Stelle schließlich Deutschland feierte. Grundtenor: Christdemokraten übernähmen Verantwortung. Das tue Deutschland gut: Innovation! Arbeitsplätze! Sicherheit! Aber es gebe auch Herausforderungen. Deswegen sollte die CDU am besten auch weiterhin Verantwortung übernehmen. Zumal die SPD böse sei. Sie regiere sogar mit der Linkspartei. Mit der Linkspartei!

Merkel-Mania pur, trotz und wegen der allzu schlichten Message. Vier Mal kehrt die Bundeskanzlerin von ihrem Stuhl zurück auf die Bühne. Sie winkt den Parteifreunden huldvoll zu. Sie lässt sich bejubeln. Sie genießt das nicht enden wollende Geklatsche. Wird Angela Merkel mit einer hunderprozentigen Mehrheit im Amt der CDU-Bundesvorsitzenden bestätigt? Das war ihr in den knapp 15 Jahren an der Spitze nie gelungen. Ihr bestes Ergebnis zuvor: Knapp 98 Prozent. Doch diesmal sind es nur enttäuschende 96,7 Prozent: 884 Delegierte stimmten für, 30 gegen Merkel, fünf enthielten sich, so wird um 15.14 Uhr offiziell verkündet.

Besonders gut bei der Parteibasis an kam Merkels Kritik an der DDR und an der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen. Die sei nicht nur eine »Bankrott-Erklärung der SPD«, sondern auch ein bloßes Etappenziel auf dem Weg zu einer Linksregierung im Bund 2017, macht Merkel ihren Zuhörern weis. Bis dahin gebe sich Bodo Ramelow handzahm. Aber danach ...

Auch Helmut Kohl, der »Kanzler der Einheit«, zeitweilig ja in Ungnade gefallen ob des Spendenskandals, ist wieder gut für Jubel. Neben Kohl wurde auch Konrad Adenauer gerne genannt. Ja, der CDU-Urvater schwebte durch die Halle 8 der Kölner Messe, die er als Kölner Oberbürgermeister einst auf den Weg brachte. CDU-Bundesvize Armin Laschet beispielsweise erinnerte sich mit vor Freude feuchten Augen an Adenauers Begräbnis vor 47 Jahren, für Laschet ein Großevent. Auch Merkel beschwor den Wertekompass der CDU im Adenauerschen Geist. Dabei gehe es um den Blick auf den Einzelnen. Seine individuelle Freiheit. Und seine Würde. Adenauer, Kohl, Merkel: In den Messehallen im Kölner Stadtteil Deutz fand ein Drei-Kanzler-Parteitag statt. Nur dass Merkel mittlerweile ihre beiden legendären Vorgänger zu überholen ansetzt, was Machtfülle und Machtdauer betrifft.

»In Deutz beginnt der Bolschewismus«, hatte Konrad Adenauer noch geglaubt. Nein, Bolschewismus ist das gewiss nicht, was sich da am Dienstag in Deutz abspielte. Aber was die innerparteiliche Demokratie betrifft und den Kult um die Person an der Spitze, waren die Ähnlichkeiten doch unverkennbar.

Nur vereinzelt wagten sich Merkel-Kritiker ans Rednerpult - direkt nach Merkels erschöpfender Rede, als alle zum Mittagstisch eilten. Einer von ihnen: Hartmut Schauerte, ein ehemaliger Staatssekretär und Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung. Der Jurist forderte eine Task-Force, die Steuervermeidung von Großkonzernen stoppen soll. Schauerte sieht Einnahmepotenziale von 15 bis 25 Milliarden Euro pro Jahr. Die Task-Force soll demgemäß von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eingesetzt werden und fünf »gut bezahlte« und »tüchtige« Personen umfassen.

Aus einer anderen Zeit zu stammen schien ein älterer Herr, einfacher Delegierter auf dem Parteitag, der gegen Merkels »Modernisierungskurs« wetterte, gegen Abtreibungen, geringe Geburtenraten (»Wir sollten 2,2 Kinder pro Frau anstreben«) und den drohenden Untergang »des deutschen Volks« Merkel treibe »Konservative« wie ihn in die Arme der AfD, betonte der Rechtsausleger. Angela Merkel, das muss man ihr zugute halten, hat solche Stimmen innerhalb der Partei marginalisiert. Klatsch, klatsch, klatsch!

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