nd-aktuell.de / 12.12.2014 / Kultur / Seite 12

Endlich Urlaub

Andreas Gläser

Am Jahresende, zwischen Nikolaus und Heiligabend, habe ich Urlaub, circa fünf Werktage. Kann ich Geschenke für das Kind besorgen, die Liste mit den CDs abarbeiten. Hip Hop, von DCVDNS über Slim Shady bis Karate Andi. Außerdem werde ich ungefragt nützliche Klamotten kaufen, ein warmes Oberteil ohne Blödboyspruch, sowie Schuhe ohne Aggro-Aquarell nahe der Sohle. Nützliches, obwohl so was seit der Wende nicht als Geschenk zählt.

Die Besorgungen kosten Zeit und Geld, ich habe beides dicke. Urlaub in der Kaufhausstadt. Am Montag werde ich mit dem Kind aufstehen und frühstücken, mit ihm das Haus verlassen. Der Nachwuchs muss mit der Mappe in die Schule und ich mit dem Zelt auf den Alexanderplatz. Lohnt sich doch, zwischen acht und zehn an der Weltzeituhr zu campieren. Mache ich im Urlaub immer, wenn auch in der freien Natur.

Zum Beispiel während der Herbstferien, da waren wir nahe der Messestadt in Heiterblick, wo es aussah wie in Traurigguck; deshalb zog es uns in die benachbarte Nebellandschaft zwischen Leipzig und Halle. Interessant dort. Wir wähnten uns auf einem Gemälde von Caspar David Friedrich, und als wir weiterzogen, von Feldweg zu Feldweg, und es immer noch so aussah, tagelang, wähnten wir uns geradezu in einer Friedrich’schen Gemäldeserie, die so oft vervielfältigt worden schien, wie das Warhol’sche Suppendosengerümpel. Friedrich’sche Nebellandschaften mit einem kleinen Zelt jenseits des Gemäldezentrums. Urlaub zu zweit, damals, und nun schon wieder, jedoch alleine.

Ich habe schon zu DDR-Zeiten auf dem Alex gezeltet, wie so viele Menschen, und jeder für sich alleine darin hockend. Wir kannten es nicht anders. In der Zone war alles langweilig, außer Feeling B und der Berliner Fußballclub Dynamo. Dann kam die Wende, die Freiheit. Neue Tiere, etwa der Wolf, der aus Polen ins Brandenburgische zog, dem dieser Tage der Tiger aus Russland folgt, welcher sogar schon in Berlin gesehen worden sein soll. Im century of freedom wird der Tiger nämlich von Wladimir Putin anderen Staaten untergejubelt. Krass. In Chinas Norden knackten die Tiger viele Hühner und in Deutschlands Osten einige Broiler. Chinesische Wildjäger reagierten diplomatisch, indem sie die umherstreunenden Putin’schen Katzen mit Routenkontrollgeräten garnierten. Hierzulande sehen sich die USA in der Verantwortung und lassen ihre Drohnen auf die Terrortiger los, ohne Sinn und Verstand.

Das US-Militär arbeitet so unpräzise. Weiß man aus Pakistan und dem Jemen. Dort kommen auf einen per Drohne erlegten Ober-Dschihadisten etwa 100 getötete Zivilisten. Oftmals unschuldige Menschen. Auch der Berliner Alex ist gefährlich. Tiger, Drohnen, Coca-Cola-Männer. Groteskerweise sind ausgerechnet die signalroten Christmas Clowns am meisten der Gefahr aus der Luft ausgeliefert.

Ich zelte unauffällig als traditioneller grau-brauner Weihnachtsmann in der Nähe des Shops mit den Silberlingen. Und wenn der Tiger kommt, wird er von Karate-Andi in die Flucht getextet.