Wem gehört die Arktis?

Dänemark, Russland und Kanada erheben Anspruch auf den Nordpol

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Montag werden dänische Diplomaten in der UNO drei Kisten mit Dokumenten übergeben, die beweisen sollen, dass der Meeresboden nördlich von Grönland geologisch eine Fortsetzung der Insel ist.

Über zehn Jahre lang wurden die Daten gesammelt, drei Eisbrecherexpeditionen entsandt, die das fragliche Meeresgebiet bis zum Nordpol untersuchten. Für den Uneingeweihten ist der Zweck der Millioneninvestition schwer einzusehen, da das Meer hier über 3000 Meter tief und trotz generell schrumpfenden Eises auch im Sommer weiterhin eisbedeckt ist. Doch die Nachbarn Kanada und Russland machen es auch, weil die UN-Meeresrechtskonvention die juristische Möglichkeit liefert, Anspruch auf den Meeresboden und dort lagernde eventuelle Schätze zu erheben. So wird von den Anrainerstaaten des Arktischen Meeres, zu denen noch Norwegen und die USA gehören, eine Politik der Territorialerweiterung gemacht, die an die Wettläufe der Großmächte um mehr Land im 19. Jahrhundert erinnern. Russland und Kanada werden ihre Forderungen sehr bald bei der UN-Kontinentalsockelkommission anmelden; Norwegens Ansprüche, die jedoch weit entfernt vom Nordpol enden, sind bereits bestätigt, und nur die USA liegen weit zurück im Wettlauf. Aus militärstrategischen Gründen hat die Supermacht die Konvention nicht unterschrieben und kann deshalb keine Forderungen geltend machen.

Die Behandlung des dänischen und später des kanadischen und des russischen Antrages wird sich über Jahre hinziehen, da die Kommission Forderungen aus der ganzen Welt für praktisch alle Seegebiete bearbeiten muss. Ihr Mandat ist jedoch darauf begrenzt, die wissenschaftliche Haltbarkeit der Forderungen zu prüfen und dann zu bestätigen oder zurückzuweisen. Das kann dazu führen, dass alle drei Hochpolarländer, im dänischen Falle auf Grund der Zugehörigkeit Grönlands zum Staatsgebiet des Königreiches Dänemark, ihre Ansprüche auf die gewünschten Gebiet bestätigt bekommen, sich diese aber überschneiden können.

An dieser Stelle müssten Verhandlungen zu einer einvernehmlichen Lösung für die Grenzziehung führen. Gelingt das nicht, muss der Internationale Seegerichtshof in Hamburg einen Schiedsspruch fällen. Die Anrainerstaaten vereinbarten bereits 2007 in der Erklärung von Ilulissat, eine friedliche Regelung mit Hilfe des internationalen Rechtes zu finden. Für eine Ausbeutung der vermuteten Bodenschätze der Arktis brauchen sie alle Frieden und Stabilität. Aber die Ukrainie-Krise hat erneut Zweifel geweckt an der russischen Haltung. Bis jetzt deutet aber nichts darauf hin, dass Moskau abgewiesene Forderungen mit Gewalt durchsetzen würde. Die umstrittenen Gebiete sind auf jeden Fall wesentlich kleiner als die Flächen, die das Land auf jeden Fall bekommen wird. Zudem liegt das potenziell umstrittene Gebiet um den Nordpol herum und wäre es auf Grund von Klima, Abstand und Meerestiefe nicht Wert, sicheren Gewinn aufs Spiel zu setzen.

In der Vergangenheit tauchte mehrfach der Vorschlag auf, die Gebiete um den Nordpol herum zum Naturschutzgebiet zu erklären; aber heute verficht nur noch Greenpeace diesen Standpunkt. In ihren künftigen neuen Territorien gewinnen die arktischen Anrainer das Recht auf Ausbeutung der unterseeischen Bodenschätze, während Konkurrenten zugleich davon ausgeschlossen sind. Die Gebietszuwächse geben ihnen jedoch keine Sonderrechte auf lebende Ressourcen oder die Regelung der Schifffahrt. Hier ist weiter Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil notwendig.

Bevor die Kartenhersteller neue Grenzen ziehen, können aber bis zu zehn Jahre vergehen, bevor die Kommissionsarbeit und die folgenden Verhandlungen abgeschlossen sind. Die norwegisch-sowjetisch/russische Grenze war fast 50 Jahre Gegenstand von Verhandlungen, bis die Öl- und Gasvorkommen beide Seiten eine einvernehmliche Lösung finden ließen. In den vergangenen Jahren wurden die Grenzen zwischen Island, den Färöer, Großbritannien und Norwegen sowie Russland bereits in bilateralen Verhandlungen festgelegt. Die Übergabe des dänischen Materials ist nun der Startpunkt für eine neue Aufteilungsrunde, die den Anrainerstaaten weitere umfangreiche Territorien sichern wird.

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