Ausnahmsweise auch im Parkhaus geduldet

Für Obdachlose öffnen sich in Rheinland-Pfalz winters mehr Türen

  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz Sparzwangs sind rheinland-pfälzische Kommunen verpflichtet, Obdachlosen im Winter Unterkunft zu bieten. Sie schicken Kältebusse und öffnen Aufenthaltsräume - doch an vielen Stellen mangelt es.

Mainz. Wer kein Dach über dem Kopf hat, für den sind frostige Winternächte eine Herausforderung. Viele Städte in Rheinland-Pfalz stocken deswegen in der kalten Jahreszeit ihre Hilfen für Wohnungslose auf, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab. In Koblenz und Mainz verteilt ein »Kältebus« Decken und warme Getränke, in Bingen öffnet ein Tagescafé auch an Weihnachten die Tür. Oft bieten kirchliche Einrichtungen kostenlose Betten an. Die meisten Unterkünfte sind zwar ausgelastet, der Platz reicht in der Regel aber für alle.

Dennoch kritisiert der Sozialpädagoge und Mediziner Gerhard Trabert, es fehle ein Konzept zwischen Land und Kommunen. Flüchteten die einen vor Verantwortung, müssten die anderen die Betreuung stemmen. Trabert versorgt mit einem Arztmobil Wohnungslose in Mainz und Bingen. »In der Kälte kann schon ein banaler Infekt gefährlich werden«, sagt er. Wer zudem Alkohol trinke, fühle sich zwar wärmer, die Gefahr von Erfrierungen steige aber. In diesem Jahr hat Trabert bereits Schlafsäcke und Isomatten verteilt, in der kommenden Woche wolle er auch nachts wieder unterwegs sein.

Der Mediziner fordert außerdem mehr Übernachtungsmöglichkeiten, in denen Hunde erlaubt sind. Viele Menschen wollten sich von ihren Begleitern nicht trennen und blieben den Einrichtungen stattdessen lieber fern. Zudem fehlten Unterkünfte für wohnungslose Frauen. Helfen könnten auch Bürger: Wer einen obdachlosen Menschen sieht, solle ihn ansprechen, wünscht sich Trabert. Im Notfall seien dann Rettungsdienst oder Polizei zuständig, um zu helfen.

In Koblenz achteten Ordnungsamt und Polizei im Winter besonders auf Wohnungslose und wiesen sie gegebenenfalls auf Hilfsangebote hin, teilt Stadtsprecher Thomas Knaak mit. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in der Rhein-Mosel-Stadt etwa beim Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt. Die Beratungsstelle für Menschen ohne Wohnung des Caritasverbandes bietet ein Café, eine Kleiderkammer und Sanitärräume. Der Obdachlosen-Hilfsverein »Die Schachtel« hält Aufenthaltsräume offen und nimmt auf den Straßen gezielt Kontakt zu wohnungslosen Menschen auf. Nach Angaben des Vereins gibt es in Koblenz rund 180 bekannte Obdachlose, die Dunkelziffer sei aber viel höher.

Auch in Neuwied sind im Winter mehr Bedürftige auf Hilfe angewiesen. In den vergangenen Jahren sei dabei die Obdachlosenzahl etwa gleich geblieben, sagt der Stadtsprecher Erhard Jung. Sparzwänge der Kommunen machten sich zwar bemerkbar, es sei aber eine Pflicht, Obdachlose unterzubringen. Deswegen stelle die stadteigene Siedlungsgesellschaft Wohnraum zur Verfügung.

Die Stadt Mainz bot Obdachlosen im vergangenen Jahr insgesamt rund 220 Plätze in mindestens drei Häusern. An dieser Situation habe sich »so gut wie nichts geändert«, sagt Sprecher Markus Biagioni. In den vergangenen Jahren habe es keine Engpässe bei der Unterbringung gegeben. Dafür sorgten vor allem Caritas und Evangelische Wohnungslosenhilfe mit ihren Einrichtungen, in denen Obdachlose stationär wie auch ambulant betreut werden. Unterschlupf suchende Obdachlose würden auch in Parkhäusern geduldet, solange sich niemand belästigt fühle.

In Bingen bietet der Caritas-Verband in einer Herberge 15 bis 18 Obdachlosen Platz. Die Unterkunft sei im Winter zwar oft ausgelastet, die Plätze reichten aber aus, sagt Bernhard Habig von der Stadtverwaltung. Das Caritas-Förderzentrum St. Christophorus in Kaiserslautern ist das ganze Jahr über voll belegt, egal ob Sommer oder Winter, wie die Sozialpädagogin Ursula Jörg mitteilt. »Die Anzahl der Bedürftigen steigt seit Jahren und in der Zukunft sicher noch mehr.« dpa/nd

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