Cidade de Deus ist Sinnbild für Fehlplanung

Stadtrechtsaktivist Benedito Roberto Barbosa über den Kampf um Wohnraum in Brasilien

  • Lesedauer: 2 Min.

Dass das »Recht auf Stadt« in Brasilien eine so zentrale Forderung ist, lässt vermuten, dass es darum im Allgemeinen nicht sonderlich gut bestellt ist.

Richtig. Der Kampf um Wohnraum hat in Brasilien eine lange Geschichte. Die massive Land-Stadt-Migration stellt die lokalen Regierungen seit den 1930er Jahren vor große Herausforderungen. Und auch während der Militärdiktatur wurde versucht, das Wohnungsproblem durch zentral geplante, aber peripher gelegene Stadtteile zu lösen. Ich denke hier an die Cidade de Deus in Rio de Janeiro - seit den 1960ern ein Sinnbild für die Marginalisierung der Bevölkerung in den Vororten der Metropolen, ohne formalen Arbeitsmarkt, funktionierende Schulen und Gesundheitsversorgung. Der Zusammenhang von Armut, Verdrängung und Polizeigewalt ist bis heute offensichtlich. Wir sehen Landnahme oder Hausbesetzung als geeignete Mittel der ärmeren Bevölkerung, um dieser Spirale zu entkommen.

Dabei kann sich die »Recht auf die Stadt«-Bewegung anders als in vielen anderen Ländern in Brasilien auch auf geltendes Recht berufen.

In der Tat. Die Stadtverwaltungen sind in der Verfassung von 1988 dazu verpflichtet worden, leerstehende Häuser oder urbane Brachen zur Linderung der Wohnungsnot zu nutzen. Das »Stadtstatut« aus dem Jahr 2001, das den verfassungsmäßigen Anspruch auf Wohnraum umsetzen soll und die demokratische Beteiligung an der Stadtplanung vorsieht, ist den unablässigen sozialen Kämpfen mehrerer Generationen von AktivistInnen zu verdanken. »Stadt« hat eine politische und soziale Funktion: Politische Teilhabe, Bildung, kulturelle Entwicklung benötigen einen Wohnort, der nicht Gegenstand von Immobilienspekulation ist.

Doch die praktische Umsetzung des Rechts auf Wohnraum scheint vielerorts problematisch.

Ja, und das aus mehreren Gründen. Wohnungsknappheit ist vom Immobilienmarkt gewollt. Sie bleibt darum bestehen, obwohl der aktuelle Leerstand in den Städten einen großen Teil der benötigten Wohnungen decken könnte. Zudem wird das Recht auf Teilhabe in der Planung der Sozialbauprojekte nur selten garantiert. Auch das staatliche Wohnungsbauprogramm »Mein Haus, Mein Leben« drängt die Armen an den Stadtrand.

Welche Stadt wünschen Sie sich?

Eine Stadt, die auf realistischen und rechtmäßigen Forderungen gebaut ist: Auch MigrantInnen, Obdachlose und der Großteil der schlecht bezahlten Bevölkerung muss in der Stadt seinen Platz finden. Deshalb fordern wir die Umsetzung der verfassungsmäßigen Rechte auf Wohnraum. Nur so können wir der Stigmatisierung und Marginalisierung der armen urbanen Bevölkerung entkommen.

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