Jude Jesus wird vereinnahmt

Theologe Klaus Berger:

  • Lesedauer: 2 Min.

Der katholische Theologieprofessor Klaus Berger (74) hat die Vereinnahmung Jesu durch liberale Christusforscher kritisiert. Alle Jesus-Bilder seit dem 19. Jahrhundert seien vom Zeitgeist manipuliert. Abhängig von der zu bedienenden Klientel sei Jesus »entweder ein Freund der Frauen oder ein Freund der Kinder oder ein Freund der Einsamen oder ein Freund der Flüchtlinge«, sagte der emeritierte Neutestamentler in einem Interview mit dem Magazin »Cicero« (Januar-Ausgabe). Für ihn sei Jesus eine rätselhafte Persönlichkeit, die das Unmögliche fordere. Ohne jede Einschränkung sei er ein Jude, der den Sabbat eingehalten habe.

Berger beobachtete, dass es in Deutschland kaum noch Neutestamentler gebe, die Bethlehem für den Geburtsort Jesu hielten. Stattdessen werde Nazareth präferiert, das im Alten Testament nicht erwähnt werde. »Weil Jesus, wie ihn die Deutschen gerne hätten, kein Jude nach der Erwartung der Juden sein darf«, sagte der Wissenschaftler. Nur so habe man ihn für einen progressiven Humanismus reklamieren können, bei dem Speisegebote und Beschneidung gestört hätten. Tatsächlich aber sei Jesus nicht aus dem Judentum ausgetreten. Das Christentum sei insgesamt nur vorstellbar als »Erfüllung des Judentums und der alttestamentlichen Verheißung«.

Berger distanziert sich von einer verbreiteten »Familienreligion« der Kirchen: »Jesus hatte enorme Probleme mit seiner Familie.« Die Jünger habe er aufgerufen, die Familien zu verlassen. Das Christentum lebe davon, dass Einzelne exemplarisch vormachten, »welche Freiheit man gewinnt, wenn man seine Bindungen aufgibt«.

Dem Islam fehlt Berger zufolge ein muslimischer Papst, der Grenzen aufzeige, die Aufhebung der Einehe zurücknehme und den Heiligen Krieg untersage. In einer solchen Autorität liege das Beschwerliche der katholischen Form des Christentums. Die Protestanten gingen einen Mittelweg, in dem sie Theologieprofessoren zu Päpsten machten, sagte Berger. epd/nd

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