Steuerpraxis verschärft Ungleichheit bei Vermögen

Deutsche Regeln gewähren den besonders Reichen viele Schlupflöcher - die Einnahmen der Finanzämter sind gering

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Deutschland ist bei der Besteuerung von Erbschaften und Vermögen sehr großzügig. In Dänemark zahlen Erben dagegen die meisten Steuern.

Eigentlich ist die Erbschaftsteuer in Deutschland so geregelt, dass große Vermögen stärker belastet und nicht allzu große Erbschaften (»der Oma ihr klein Häuschen«) von Zahlungen ans Finanzamt freigestellt sind. Bei Ehe- oder Lebenspartnern liegt der Freibetrag bei 500 000 Euro und bei Kindern beträgt er 400 000 Euro. Nur auf das ererbte Vermögen, das oberhalb dieses Wertes liegt, müssen Steuern abgeführt werden. Je nach Höhe der Erbschaft steigt der Steuersatz von sieben Prozent auf maximal 30 Prozent - der Höchstsatz fällt auf Vermögen über 26 Millionen Euro an.

Von der beabsichtigten Wirkung ist die deutsche Praxis aber weit entfernt. Das Problem sind die zahlreichen vom Gesetzgeber gewährten Ausnahmen. Im Jahr 2012 wurde mehr als die Hälfte des Vermögens mit einem Steuerwert von 74,2 Milliarden Euro ganz legal am Finanzamt vorbei übertragen. Es profitieren vor allem reiche Firmenerben. »Die Privilegierung des Betriebsvermögens entlastet die Multimillionäre am stärksten und erhöht so die Vermögensungleichheit«, schreiben die SPD-Politiker Cansel Kiziltepe und Ralf Stegner in einem Zeitungsbeitrag. Der Hauptgrund ist die ungleiche Verteilung der Vermögen: Nach den Daten des Sozioökonomischen Panels halten die reichsten zehn Prozent der Haushalte mindestens 88,8 Prozent des Betriebsvermögens. Da die offizielle Statistik die Supervermögen nicht erfasst, ist der Anteil der Reichen sogar noch unterzeichnet.

Allzu tief müssen Nachkommen für die Erbschaftsteuer, die den Bundesländern vollständig zusteht, nicht in die Tasche greifen. Gerade einmal 5,3 Milliarden Euro werden in diesem Jahr in die 16 Staatssäckel fließen, erwartet das Bundesfinanzministerium. Wie viel davon auf der Übertragung von Firmenvermögen basiert, weiß man in Berlin nicht, »da die verschiedenen vererbten oder geschenkten Vermögensbeträge addiert werden«, heißt es auf nd-Anfrage. Das Ministerium hatte früher mal ausgerechnet, dass dem Fiskus durch die »Verschonungsregelungen« für Betriebsvermögen von 2009 bis 2012 rund 19 Milliarden Euro durch die Lappen gegangen sind.

Für das Jahr 2014 wird indes bei den Einnahmen ein Plus von 16 Prozent erwartet - in den Jahren zuvor hatte der Wert zwischen vier und fünf Milliarden Euro gependelt. Auslöser des Anstiegs sind Mitnahmeeffekte. »Vorgezogene Schenkungen tragen zu den hohen Einnahmen in diesem Jahr bei«, heißt es im Novemberbericht des Finanzministeriums. Viele Inhaber nutzten offenbar noch die bestehenden Regelungen, bevor das Tor vom Bundesverfassungsgericht, wie absehbar, geschlossen wird.

Unterm Strich beträgt der Anteil der Erbschaftsteuer am gesamten Steueraufkommen nur 0,8 Prozent. Und eine Vermögensteuer wird in Deutschland seit 1997 nicht mehr erhoben. In einem Dutzend EU-Länder - darunter Deutschland, Großbritannien und Italien - zahlen Erben laut Modellrechnungen der Steuerberatungsgesellschaft KPMG in der Praxis heute kaum oder keine Erbschaftsteuer. Vergleichsweise teuer wird es in Dänemark: Dort wird eine Erbschaft- oder Schenkungsteuer von rund 1,5 Millionen Euro für ein Zehn-Millionen-Erbe fällig. Auch in Frankreich, Griechenland, Malta, Finnland und Irland hält sich der Fiskus vergleichsweise schadlos und kassiert bis zu 500 Millionen Euro.

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