Ausverkauf im Selbstbedienungsladen

Wer hatte im August 2011 Interesse an einer raschen Insolvenz der P+S-Werften in Mecklenburg-Vorpommern?

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Zwei Jahre Werften-Untersuchungsausschuss im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern: Die LINKE zieht Zwischenbilanz. Für die größte Oppositionsfraktion sind noch viele Fragen offen.

Schwerin. Der Insolvenzantrag der P+S-Werften Ende August 2012 basiert nach Einschätzung der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern auf einer politischen Entscheidung der SPD/CDU-Landesregierung. Darauf deuteten Unterlagen hin, sagten die Obfrau der LINKEN im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur P+S-Pleite, Jeannine Rösler, und der Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionsfraktion, Helmut Holter, am Dienstag in Schwerin.

Es stelle sich die Frage, ob der letzte P+S-Geschäftsführer Rüdiger Fuchs Anfang August 2012 mit dem Ziel engagiert wurde, die Insolvenz vorzunehmen. Der Vorgänger von Fuchs an der Spitze der beiden Schiffbaubetriebe in Stralsund und Wolgast, Dieter Brammertz, sei nicht freiwillig gegangen und Fuchs auf Wunsch der Landesregierung eingesetzt worden. Das sei in den bisherigen Zeugenanhörungen deutlich geworden.

Im Frühsommer 2012 hatte das Land noch ein 152-Millionen-Euro-Rettungspaket für P+S zugesagt. Am 7. August sei dann Brammertz durch Fuchs ersetzt worden, sagten Rösler und Holter. Am 16. August sei Fuchs vom Land beauftragt worden, binnen vier Tagen ein Zukunftskonzept vorzulegen. Am 20. August sei dann erstmals öffentlich das Wort Insolvenz gefallen. Am 29. August stellte Fuchs schließlich den Insolvenzantrag.

Die Frage, wer im August ein Interesse an einer raschen Insolvenz hatte, will die LINKE bei den im Frühjahr 2015 anstehenden Zeugenanhörungen klären, sagte Holter. Bis Mitte April sollen wichtige Politiker gehört werden, darunter Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) und Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD). Um die P+S-Werften zu retten, hätte das Land nach Ansicht der LINKEN zeitweise als Anteilseigner einsteigen müssen. Eine zehnprozentige Beteiligung hätte deutlich bessere Finanzierungsbedingungen für P+S bedeutet, sagte Rösler. So aber fielen jährlich im Schnitt 26 Millionen Euro Finanzierungskosten an - diese hätten nach Einschätzung der LINKEN mit einem Einstieg des Landes halbiert werden können.

Die SPD/CDU-Landesregierung hätte mit einem frühzeitigen Einstieg 2009 oder Anfang 2010 auch mehr Einfluss auf die Geschäftsabläufe auf der Werft nehmen können, meinte Holter. Aus politischen Gründen sei dagegen entschieden worden. Rösler sagte, neben den hohen Kreditzinsen hätten auch die Kosten für Berater und Gutachter schwer zu Buche geschlagen. »Für uns stellt es sich fast so dar, als ob die Werften zum Selbstbedienungsladen Dritter wurden«, sagte sie. Das sei auch deshalb möglich geworden, weil sich die Landesregierung in Schwerin voll und ganz auf Beratungsfirmen wie PWC und KPMG verlassen habe und kein eigenes funktionierendes Controlling aufbaute - und das, obwohl sie mit fast 300 Millionen Euro Krediten und Bürgschaften engagiert gewesen sei. Es bestehe der Eindruck, dass in der Landesregierung eigentlich niemand so richtig verstanden habe, was auf den Werften in Stralsund und Wolgast ablief. Holter zufolge hat die Regierung in diesem Punkt inzwischen Konsequenzen gezogen und einen Schiffbau-Sachverständigen eingestellt. Auch heute unterstützt das Land Schiffbaubetriebe mit Bürgschaften. dpa/nd

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