Noch viel mehr Beweise

Die Kronzeugen im russischen Dopingskandal präsentieren neue Details

  • Lesedauer: 2 Min.

Düsseldorf. Die russische Dopingkronzeugin Julia Stepanowa ist erstaunt, dass weder der Leichtathletikweltverband IAAF noch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA auf ihre Enthüllungen reagiert haben. »Wir hoffen, dass sich nun jemand von der IAAF oder der WADA bei uns meldet, um das gesamte Material anzusehen«, sagte die frühere 800-Meter-Weltklasseläuferin am Mittwoch. Beide Organisationen hatten angekündigt, die Dopingvorwürfe aufklären zu wollen. Belege für weitreichende Dopingpraktiken im russischen Spitzensport hatten sie und ihr Mann Witali in der ARD-Dokumentation »Geheimsache Doping« publik gemacht. Darunter war ein heimlich aufgenommenes Handyvideo, auf dem die 800-Meter-Olympiasiegerin Marija Sawinowa über ihre Erfahrungen mit Dopingmittel spricht.

»Das sind alles Lügen«, sagt der Präsident des russischen Leichtathletikverbandes, Walentin Balachnitschew. »Der Verband will uns verklagen. Aber wir haben Beweise«, erklärte Stepanowa, die mit ihrem Ehemann Russland verlassen hat. »Viel mehr, als das deutsche Fernsehen zeigen konnte. Man kann ja nicht sechzig Minuten ununterbrochen Beweise zeigen.« Bereits vor zwei Jahren habe die selbst bis Ende Januar 2015 wegen abnormer Blutwerte gesperrte Läuferin in einem Brief an die WADA das Doping zugegeben. »Darin erzählte ich, wie der russische Nationaltrainer mich mit EPO versorgt hat, wie Dr. Portugalow, der Chef der medizinischen Kommission des russischen Verbandes, mich zum Doping angeleitet hat«, sagte Stepanowa.

Zunächst habe sie aber unter Anleitung ihres Heimtrainers Wladimir Mochnew mit dem Doping begonnen. »Er wusste nicht wirklich, wie es geht«, berichtete sie. »Bei starken Dosierungen von Steroiden bekam ich so harte Muskeln, dass ich annahm, dass sie wuchsen. Aber ich konnte nicht rennen.« Manchmal habe sie deshalb mit dem Training zehn Tage pausieren müssen, »bis die Muskeln zurückkamen«.

Gesperrt wurde Stepanowa erst Anfang 2013, obwohl ihre Blutwerte schon in den Jahren zuvor sehr auffällig waren. »Wirklich abnorm waren sie Anfang 2011. Zwei Jahre konnte ich weitertrainieren und weiter Wettkämpfe bestreiten, obwohl sie mit 99,9 Prozent Sicherheit wussten, dass ich gedopt war.« Sie sei nicht die Einzige gewesen, der es so erging. »Das ganze Kontrollsystem der IAAF macht für mich keinen Sinn«, sagte sie. Und warum hat die IAAF erst so spät reagiert? »Gedopte Athleten laufen schneller. Vielleicht sind schnellere Zeiten besser zu vermarkten«, meinte Stepanowa.

Witali Stepanow, der früher bei der Anti-Doping-Agentur Russlands (RUSADA) angestellt war, berichtete ebenfalls am Mittwoch über die dubiose Rolle der Kontrolleure in seinem Land. So sollen auffällige Dopingproben von prominenten Topsportlern vertuscht worden sein. »RUSADA nannte also Namen, und wenn ein guter darunter war, wurde der Fall niemals publiziert«, erklärte Stepanow. dpa/nd

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