Dimas im ersten Anlauf gescheitert

Präsidentenwahl in Griechenlands Parlament geht in die nächste Runde

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Wahl eines neuen griechischen Staatspräsidenten ist am Mittwochabend im ersten Anlauf gescheitert. Stavros Dimas verfehlte im Parlament die notwendige Mehrheit.

200 der insgesamt 300 Parlamentarierstimmen brauchte Stavros Dimas im ersten Wahlgang. Bei der Abstimmung am Mittwochabend konnte der einzige Kandidat für das höchste Staatsamt jedoch nur 160 Stimmen verbuchen. 135 Parlamentarier stimmten mit »anwesend« - ein »Nein« ist bei der Präsidentenwahl nicht vorgesehen. Fünf Abgeordnete blieben der Abstimmung fern. Damit blieb das Ergebnis für den Anwärter noch hinter den Erwartungen von Ministerpräsident Antonis Samaras zurück. In der Regierung hatte man mit 162 bis 165 Stimmen für den Kandidaten gerechnet. Dass der ehemalige EU-Kommissar die Wahl im ersten Durchgang nicht gewinnen würde, war ohnehin klar. Denn die Koalition aus Nea Dimokratia und PASOK verfügt nur über 155 Abgeordnete, und nur ein Teil der 24 unabhängigen Abgeordneten hatte angekündigt, für Dimas zu stimmen. Die linke wie rechte Opposition dagegen wollte ihm die Zustimmung verweigern.

Trotzdem wurde der erste von drei Wahlgängen - die beiden anderen folgen am 23. und 29. Dezember - im Inland wie im europäischen Ausland aufmerksam verfolgt. Denn zur Wahl steht mehr als das ohnehin weitgehend auf symbolische Aufgaben beschränkte Staatsoberhaupt. Es geht um nichts Geringeres als die Zukunft des Landes. Denn sollte Dimas in allen drei Wahlgängen scheitern, müssen laut griechischer Verfassung das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt werden. Höchstwahrscheinlich würde Ministerpräsident Antonis Samaras dabei abgewählt werden. Allen Umfragen zufolge liegt seine Nea Dimokratia hinter der linken Oppositionspartei SYRIZA.

Die Übernahme der Regierungsverantwortung durch die in der Auslandspresse als »linksradikal« bezeichnete SYRIZA schreckt nicht nur die Finanzmärkte, die schon auf die Ankündigung der Präsidentschaftswahlen mit dramatischen Kursstürzen reagierten. Von verschiedenen Seiten wird immenser Druck ausgeübt, damit Dimas zumindest im letzten Wahlgang, in dem nur noch 180 Stimmen nötig sind, zum Nachfolger des scheidenden Karolos Papoulias gewählt wird. Mit dem Lippenbekenntnis, man wolle sich auf keinen Fall in die demokratischen Angelegenheiten von Partnerstaaten einmischen, taten hochrangige EU-Politiker genau dies.

Er denke, die Griechen wüssten genau, was ein falsches Wahlergebnis bedeute, drohte etwa EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits letzte Woche ziemlich unverhohlen und machte klar, was er nicht will - dass »extremistische Kräfte« die Regierung übernehmen. Am Montag legte Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici nach und warnte vor einem Rauswurf Athens aus der Eurozone, wenn SYRIZA sich bei einem Wahlsieg nicht an die Vereinbarungen mit den Gläubigern halte. Flankiert wurde er von seinem griechischen Kollegen Stournaras, der als Chef der einheimischen Landesbank »irreparable Schäden« heraufbeschwor und vor einem erneuten Abflauen des Wirtschaftswachstums warnte.

Das betrug im zweiten Quartal 0,7 Prozent und muss zusammen mit auf hohem Niveau stagnierenden Arbeitslosenzahlen sowie einem durch radikale Kürzungen und Steuererhöhungen auf die berühmte schwarze Null gebrachten Haushalt als Beleg für den Erfolg der Konsolidierungspolitik herhalten. Dass diesem Erfolg eine massive Verelendung der Bevölkerung und die fast vollständige Zerschlagung des Sozialstaates gegenüberstehen, wird dabei gerne unterschlagen. Genau wie Meldungen etwa aus den Hochschulen, die nach Kürzungen von rund 80 Prozent ihrer Mittel nicht einmal mehr Geld für die Beheizung der Hörsäle zur Verfügung haben. Dabei ist den meisten Entscheidungsträgern in der EU klar, dass ihre Sparpolitik längst an jede menschlich vertretbare Grenze gestoßen ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint SYRIZA nicht nur immer mehr Griechen, sondern auch Teilen der Politik und Wirtschaft in der EU als vertretbare Alternative. Zumal auch Parteichef Alexis Tsipras von seinen Ankündigungen im Wahlkampf 2012 abgerückt ist. So wird nicht mehr von einer einseitigen Aufkündigung der Gläubigervereinbarungen, sondern von Neuverhandlungen gesprochen. Außerdem soll Griechenland beim Euro bleiben. Wenn sich Umfragen zufolge trotzdem 58 Prozent gegen einen vorgezogenen Urnengang aussprechen, so liegt das an der Sorge, Neuwahlen könnten zu keiner Regierungsbildung führen. Denn SYRIZA würde zwar aller Voraussicht nach stärkste Partei werden, aber nicht genug Mandate für eine Alleinregierung bekommen. Und Koalitionspartner, die eine ausreichende Zahl von Abgeordneten stellen, sind zumindest derzeit nicht in Sicht.

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