Nazivokabel in Parlamentsdebatte

CDU-Abgeordneter verwendet den Begriff »Zinsknechtschaft«, geprägt vom NSDAP-Politiker Gottfried Feder

Mittelalterlich oder faschistisch? Die Bedeutung des Begriffs »Zinsknechtschaft« sorgte im Landtag für Aufregung, die an Tumult grenzte.

Das Land Brandenburg müsse sich aus der »Zinsknechtschaft« befreien, hat der Landtagsabgeordnete Steeven Bretz (CDU) am Donnerstag gesagt, als das Parlament über Steuererhöhungen debattierte. Das sorgte für Aufregung. Nicht sofort, aber als ihm der Abgeordnete Stefan Ludwig (LINKE) später vorwarf, welchen Begriff er da verwendet habe. Die Bezeichnung stamme von dem NSDAP-Wirtschaftsexperten Gottfried Feder (1883-1941), der von Hitler lobend in »Mein Kampf« erwähnt worden sei.

In einem Wortgefecht zwischen Konservativen und Sozialdemokraten soll anschließend aus den Reihen der SPD-Fraktion die Beschimpfung »braune Strolche« gefallen sein. Darüber beschwerte sich CDU-Fraktionsgeschäftsführer Jan Redmann. Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) hatte diese Worte aber nicht gehört. Nur mit Mühe gelang es ihr, wieder für Ruhe zu sorgen.

Tatsächlich stieß der Ingenieur Gottfried Feder, der sich im Selbststudium Kenntnisse der Finanzpolitik und der Volkswirtschaft angeeignet hatte, schon früh zur Nazipartei. Er gehörte bereits einer ihrer Vorläuferorganisationen an. 1919 hatte Feder sein »Manifest zur Brechung der Zinsknechtschaft« veröffentlicht. Bei Feder verbinden sich antikapitalistische Forderungen mit antisemitischen Hasstiraden. So verlangte er neben der Verstaatlichung von Banken die Enteignung der Juden, die er in hetzerischen Bemerkungen für den Ersten Weltkrieg verantwortlich machte. Feder gehörte jahrelang zur Reichstagsfraktion der NSDAP. 1933 wurde er Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, blieb es jedoch nicht lange. Einmal an die Macht gekommen, dachten die Faschisten nicht im Traum daran, sich mit Finanzkapitalisten anzulegen - insofern diese keine Juden waren. Den Raub jüdischer Vermögen betrieben sie mit Eifer, um das Volk mit Vergünstigungen bei Laune zu halten und die Aufrüstung zu finanzieren.

Zu seiner Rechtfertigung behauptete der CDU-Abgeordnete Bretz, der Begriff der »Zinsknechtschaft« sei in Wirtschaftslexika nachzulesen, und er habe ihn im Geschichts- und Staatsbürgerkundeunterricht der DDR von seiner Lehrerin im Zusammenhang mit dem Feudalismus gehört. Er verwahre sich gegen Anschuldigungen der Begriffspolizei, sagte Bretz.

Doch das ließ ihm Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht durchgehen. Bei der Behandlung des Mittelalters in den Schulen sei von Fronknechtschaft die Rede gewesen und nicht von Zinsknechtschaft. Da solle er in seinem alten Geschichtslehrbuch noch einmal nachlesen, empfahl der Ministerpräsident dem CDU-Politiker.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel meinte, Abgeordnete sollten keine historisch belastete Begriffe verwenden, sondern ein Gespür dafür entwickeln, »was geht und was nicht«.

Der Duden kennt zwei Bedeutungen von Zinsknechtschaft: »1. (im Mittelalter) Abhängigkeit des Zinsbauern vom Grundherrn, 2. (nationalsozialistisch) Abhängigkeit von privaten Geldverleihern.«

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal