Bizarrer Streit um 25 Cent

Die Programmqualität spielt in der Debatte um die Haushaltsabgabe kaum eine Rolle. Von Katharina Dockhorn

  • Katharina Dockhorn
  • Lesedauer: 3 Min.

RBB-Intendantin Dagmar Reim straft den amtierenden ARD-Intendanten Lügen. Im Februar hatte Lutz Marmor noch versichert, am Programm werde auch in Zeiten knapper Kassen nicht gespart. Reim streicht beim Kulturradio die eigene Nachrichtenredaktion. Denn ARD, ZDF und das Deutschlandradio müssen sparen. Deshalb klagen auch die Produzenten, dass die Budgets von Fernsehfilmen seit zehn Jahren eingefroren sind. Trotzdem beschlossen die Intendanten von ARD und ZDF nach jahrelanger Diskussion gerade die Etablierung eines Jugendkanals als Internetangebot. Wer soll das bezahlen, fragen sich viele, die die Debatten um das fehlende Geld verfolgen.

Hörer und Zuschauer auf der einen, Journalisten, Techniker und Künstler auf der anderen Seite sind momentan die Leidtragenden eines bizarren Streits um den Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seine Finanzierung im Internetzeitalter. Die Ministerpräsidenten der Bundesländer üben auf die Sender Druck aus zu sparen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Sender kürzt die Anmeldungen, gleichzeitig kritisiert sie die Umschichtung zu Lasten des Programms. Die Intendanten der Sender gaben entnervt von der öffentlichen Kritik an der Qualität ihres Programms den Debatten um Betriebsrenten oder Skandalen nach. Für die Gebührenperiode 2013 bis 2016 meldeten sie Etats an, die weder die Steigerung von Betriebskosten noch Tariferhöhungen oder einen Inflationsausgleich einschlossen.

Doch nun ist mehr Geld vorhanden als gedacht. Durch die Umstellung auf die Haushaltsabgabe stiegen die Einnahmen - 200 Millionen Euro sind in der Kasse, können aber nicht an die Sender gehen. Das verbietet der Rundfunkstaatsvertrag. Das Geld fließt an Bürger und Institutionen zurück. Die Haushaltsabgabe sinkt zum 1. April nächsten Jahres auf 17,50 Euro im Monat. Der finanzielle Spielraum für eine Senkung wurde jedoch nicht ausgeschöpft. 25 Cent je Monat und Haushalt wurden einbehalten.

Wer sie bekommt, darum ist hinter den Kulissen der Streit entbrannt. Er wird von einem Gutachten angeheizt, das Martin Eifert, Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, für den Berliner Senat erstellte. Eifert bejaht die Möglichkeit der Einführung von Pflichtquoten für die Zulieferung von Programmen unabhängiger Produzenten, hier stützt er sich auf eine EU-Richtlinie. Den finanziellen Spielraum böten jene 25 Cent - just der Betrag, den die Allianz deutscher Produzenten, die Gewerkschaft ver.di und andere Interessenverbände für eine Programmoffensive zur Qualitätsverbesserung durch höhere Budgets im März forderten. Im Blick haben sie vorrangig Fernsehfilme und Dokumentationen. Der Journalismus ginge weitgehend leer aus.

Eiferts Argumentation liefert Sprengstoff, der die Fernsehwelt verändern kann. Für die Verwendung der Einnahmen aus der Haushaltsausgabe sei einzig die Verbreitung im Rundfunk ausschlaggebend. Das schließe private Anbieter ein - das klassische Lokalradio ebenso wie das Internet. Schon heute gelten die Telemedienangebote der Sender gesetzlich als Rundfunk. Staatsfern organisierte, nicht-kommerzielle und werbefreie Internetangebote könnten daher auch in den Genuss der Einnahmen kommen, fordert die AG Dokumentarfilm seit langem.

Doch auch an den Verantwortlichen bei ARD und ZDF ist die Diskussion nicht spurlos vorbei gegangen. Ihre Programmautonomie dürfe nicht beschnitten werden, so Eifert. Und hier kommt der Jugendkanal ins Spiel. 30 bis 40 Millionen Euro sind für ein attraktives Angebot zu knapp bemessen, zudem muss an anderer Stelle gespart werden. Die Versuchung ist daher groß, die mit der Pflichtquote produzierten Programme in diese Richtung zu lenken. Und die jungen Deutschen wissen endlich, warum sie überhaupt eine Haushaltsabgabe zahlen.

Ob die Rechnung aufgeht, dass mehr Geld für unabhängige Produzenten automatisch zur Qualitätsverbesserung führt, bleibt abzuwarten. Und vor allem löst die Pflichtquote mittelfristig weder die Probleme der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch verbessert sie automatisch die Programmqualität. Zu oft beklagt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) mangelnde Wirtschaftlichkeit. Hier muss der Rotstift angesetzt werden und nicht am Programm und bei denen, die es gestalten.

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