Der geheimnisvolle Durchbruch

Mit dem ersten Spatenstich beginnt am heutigen Montag in Brito am Pazifik der Bau des Nicaraguakanals

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.
Trotz nebulöser Konzessionsvergabe, unveröffentlichter Projektstudien sowie zunehmender Proteste im Land soll an diesem Montag der Bau eines 300 Kilometer langen Kanals durch Nicaragua starten.

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, heißt es. Und der Wille scheint bei Nicaraguas sandinistischer Regierung und ihrem chinesischen Geschäftspartner Wang Jing ziemlich ausgeprägt zu sein. Dieser bestätigte in Hongkong die Pläne und widersprach damit anderslautenden Zeitungsberichten. Man werde den »jahrhundertealten Traum« der Nicaraguaner vom interozeanischen Kanal verwirklichen. »Um die notwendigen und erforderlichen Voraussetzungen für die eigentliche Durchführung des Projektes zu erfüllen, haben die Kanalkommission und HKND Group gemeinsam entschieden, als Erstes mit dem Bau von Straßen zu beginnen«, hieß es. Der Sprecher der Kanalkommission, Telémaco Talavera, präzisierte in einer Pressekonferenz, der Bau und die Erweiterung von Straßen seien nötig, um schweres Gerät und Maschinen für den Bau eines Hafens bei Brito an der Pazifikküste bewegen zu können. Dieser soll später als Ausgangspunkt für den Bau der Kanalroute dienen. Bereits in fünf Jahren sollen die ersten Schiffe den Kanal befahren können. Einige Experten meinen, der geplante Hafen, ein Flughafen in der Nähe und eine Freihandelszone - weiter werde der Kanal nicht vorankommen.

Das Projekt ist von Anfang an von vielen Unklarheiten begleitet gewesen. Bereits die Aushandlung des Deals war alles andere als vertrauenserweckend. Nicaragua hat für den Kanalbau weitgehende Souveränitätsrechte an den bis dahin nur im Telekom-Bereich tätigen chinesischen Geschäftsmann Wang Jing und dessen HKND Group abgegeben - ohne vorherige öffentliche Ausschreibung oder Debatte. Das Vertragswerk gibt Wang u.a. das Recht, bei einer für den Kanal zuständigen Regierungskommission die Enteignung von Ländereien zu beantragen. Indigene Organisationen sehen dadurch ihre Land- und Eigentumsrechte verletzt; sie befürchten Umsiedlungen und Enteignungen. Bis zu 120 000 Menschen könnten betroffen sein. Auch Umweltschützer zeigen sich alarmiert. Das Projekt bedroht den Nicaragua-See, das größte Trinkwasser-Reservoir Zentralamerikas, und dessen fragiles ökologisches Gleichgewicht. Andere kritisieren ökonomische Unwägbarkeiten und halten das geschätzt 50 Milliarden US-Dollar teure Megaprojekt für undurchführbar.

Tatsächlich ist bis heute keine Machbarkeitsstudie veröffentlicht worden; Umwelt- und Sozialstudien sollen im April 2015 vorliegen; ein Finanzierungsplan ist nicht bekannt. Derweil führen chinesische Fachleute in der Gegend um Brito Probebohrungen durch, und Mitarbeiter einer chinesischen Firma gehen von Haus zu Haus, um Anwohner und Grundstücke zu erfassen. Eskortiert werden sie von schwer bewaffneten Soldaten.

Das martialische Auftreten und die Geheimniskrämerei wecken Ängste in der Bevölkerung. In den vergangenen Monaten haben die Proteste zugenommen. Zuletzt demonstrierten mehrere Tausend Menschen in der Hauptstadt Managua gegen den Kanalbau und Präsident Daniel Ortega, dem der Ausverkauf des Landes an China vorgeworfen wird. »Mein Land steht nicht zum Verkauf«, skandierte die Menge, aber auch chinesenfeindliche Slogans wie »Chinesen raus aus Nicaragua« waren zu hören.

Ob jedoch tatsächlich der chinesische Staat - wie von vielen vermutet - hinter Wang steckt, ist unklar. Über die Investoren ist nichts bekannt. Wang versicherte, es handele sich um eine rein private Unternehmung. Einige Beobachter haben daran jedoch ihre Zweifel. Sie verweisen darauf, dass China seine Präsenz in Lateinamerika massiv ausgebaut habe. Auch ohne offizielle Beteiligung würde China vom Kanal profitieren - allein schon durch eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte aufgrund sinkender Transportkosten. Kanalsprecher Talavera versprach für den Montag wichtige Ankündigungen zum Kanal und seinen Investoren. Darauf dürften die meisten Nicaraguaner gespannter warten als auf den ersten Spatenstich.

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