Dir ein Leben ohne Leid

Wolf Wondratscheks gesammelte Gedichte an seinen Sohn

  • Ralph Grüneberger
  • Lesedauer: 3 Min.

Wolf Wondratschek, 1943 in Thüringen geboren, in Karlsruhe aufgewachsen, in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt am Main Student gewesen, ist als namhafter Autor von Lyrik, Prosa und Hörspielen in München und Wien zu Hause. Bekannt wurde Wondratschek als einer, dessen Gedichte nicht selten Filmskripten ähneln, und als Pionier der Eigenvermarktung, obgleich er das auf Dauer nicht durchhalten konnte. Jetzt kehrt er gewissermaßen zwiefach an seine Ausgangsposition zurück, indem er seinen Gedichtzyklus der kleinen, aber feinen Edition Ornament anvertraute, namentlich Jens-Fietje Dwars, dem Spiritus rector der an Kurt Wolff geschulten bibliophilen Reihe. Auffällig ist, dass Wondratscheks «Raoulito-Gedichte» mit dem Wunschtitel «For a Life without a Dentist» hier fadengeheftet und «Außer der Reihe» erscheinen und nicht der sonstigen Zählung folgen. Der Titel des Bändchens, der einem spätesten bei dem Gedicht «Raoulito zum 19. Geburtstag» als Verheißung einleuchtet («Gesund leben. Kein Zucker … Überhaupt kein Zucker. Nicht / in Büchern, in Bildern, in Gesprächen …»), ist dem naiven Ölgemälde von Martin Kippenberger entlehnt, das sich im Internet betrachten lässt.

Den Tag, als er kurz vor seinem 48. Geburtstag Vater geworden ist, erinnert Wondratschek im wahren Leben so: «wie du mich, als Beweis, / dass du mein Sohn bist, voll gepinkelt hast. / Das war neu für mich, meine erste Berührung / mit einem Leben als Vater» («Die Sonnenblume»). Ihm folgen berührende Verse wie die vom schlaf-trunkenden Jungen im «Nachtbus» oder die Erkenntnis, dem Stoiker im Kinde nicht gewachsen zu sein («Schwarz»), oder die, dass die alten Geschichten, will man sie dem Nachwuchs servieren, plötzlich verdammt lang her sind («Was soll ich dir erzählen?»). Der erfolgreiche Vater spricht über Geld und rät dazu, dem Pekuniären nicht allzu viel Bedeutung zu schenken: «Geld? Ach, Geld! // Es ist nichts, es ist Papier … Lass es nicht unter deine Haut. / Geld ist gut gegen Angst, macht aber / mit dem Ängstlichen, was es will.» Mit anderen Worten: Etwas Geld in Lyrik anzulegen, nimmt auch etwas Angst - und gibt Hoffnung, wie bei diesen wohl nicht vergeblichen An-Sprachen an die nächste Generation.

In seiner Nachbemerkung, die der geübte Leser nicht erst liest, wenn er am Ende der Lektüre angekommen ist, klärt Wondratschek über seinen Schreib-Anlass auf. Beginnend mit einem Gelegenheitsgedicht hat er wieder und wieder Verse an seinen Sohn adressiert. Es sind Erinnerungen, Entdeckungen, Belehrungen. Die Verbindung zu Wondratscheks Alter Ego Chuck aus «Chuck's Zimmer» und «Das Geschenk» (beide bei dtv Hanser erschienen) scheint da gar nicht von ungefähr. Im «Geschenk» heißt es: «Es verging ein Jahr, bis Chuck zum ersten Mal überhaupt die Erlaubnis erhielt, den kleinen Kerl einmal übers Wochenende bei sich haben zu dürfen ...» Eine Sehnsucht, die sich auch in diesen Widmungsgedichten mitteilt.

Wolf Wondratschek: «For a Life without a Dentist. Raoulito-Gedichte. Einmalige numerierte Auflage von 444 Exemplaren. Edition Ornament im quartus-Verlag Bucha bei Jena. 52 S., br., 14,90 €.

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