Mittler unterwegs in Kiew und Moskau

Kasachstan und Belarus wollen Friedensgespräche im Ukraine-Konflikt rasch zustande bringen

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Friedensgespräche zur Lösung der Ukraine-Krise könnten noch vor Jahresende wieder aufgenommen werden. Als Mittler wirken wollen Belarus und Kasachstan - Montag in Kiew, Dienstag in Moskau.

Eine Telefonkonferenz der Spitzenpolitiker der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs zum Ukrainekonflikt war noch für Montagabend angesetzt. Um die ukrainische Führung von der Notwendigkeit einer neuen Runde der Minsker Friedensgespräche in seiner Hauptstadt noch vor Jahresende zu überzeugen, war der belorussische Präsident Alexander Lukaschenko bereits am Sonntag im ukrainischen Kiew eingeschwebt.

Die Chefs der ostukrainischen sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk hatten sich zum Dialog bereit erklärt. Zu Wochenbeginn bekam Lukaschenko Verstärkung durch seinen Amtskollegen aus Kasachstan: Nursultan Nasarbajew, der sich als Vermittler angeboten hatte, sprach mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko über eine beschleunigte Regelung.

Seine und die Hauptaufgabe der Konfliktparteien müsse darin bestehen, den Krieg zwischen ukrainischen Regierungstruppen und pro-russischen Milizen zu beenden, verlautete zuvor. Gleichzeitig gelte es, sowohl die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine zu bewahren, als auch die Rechte der Bevölkerung im Osten zu stärken und die Region wiederaufzubauen. Entsprechende Beschlüsse müssten auf einem Gipfel gefasst werden, bei dem auch die heikelsten Probleme auf den Tisch kommen müssten.

Er stehe dabei als »ehrlicher Makler« bereit, erklärte Nasarbajew im kasachischen Fernsehen. Vor allem deshalb setzte ihn auch Israel auf die Liste der Kandidaten für das Nahost-Krisenmanagement. Dort scheiterte die Vermittlung bisher nicht nur an den einander ausschließenden Interessen der Konfliktparteien, sondern auch an den nicht ganz uneigennützigen Bemühungen der Vermittler.

Ähnlich ist die Lage derzeit in der Ukraine. Kiew will seine Souveränität über den Osten wiederherstellen, dieser seinerseits aber unabhängige staatliche Institutionen etablieren. Auch Nasarbajews Selbstbildnis eines Unparteiischen, der keine eigenen Interessen verfolgt und sich gleicher Nähe zu Moskau wie zu Kiew rühmt, ist erheblich geschönt.

Im Vielvölkerstaat Kasachstan sind Russen die mit Abstand größte Minderheit, im Norden bilden sie mit bis zu 60 Prozent sogar die Mehrheit. Die Verlegung der Hauptstadt hart an die Grenze zu Russland nach Astana, das zu Sowjetzeiten Zelinograd hieß, hat auch mit der Angst vor Sezession zu tun. Diese Angst wurde durch den Russland-Beitritt der Krim und den Bürgerkrieg in der Ostukraine noch verstärkt.

Zwar schätzt Wladimir Putin Nasarbajew als Stabilisierungsfaktor in Zentralasien und unterstützt Kasachstan beim Gerangel mit Usbekistan um die Rolle einer regionalen Führungsmacht. Doch der Herrscher des öl- und gasreichen Steppenstaates ist bereits in vorgerücktem Alter und nicht sehr gesund. Segnet er das Zeitliche, schließen Experten nicht aus, dass sich Kasachstan nach Diadochenkämpfen wieder in die drei Teilreiche zerlegt, aus denen es einst hervorging. Der Norden würde dann Schutz bei Moskau suchen.

Die Voraussetzung dafür wäre, dass Russland seine Vormachtstellung im postsowjetischen Raum behält. Das ist angesichts fallender Rubelkurse und Ölpreise, die die Regierung innenpolitisch in Schwierigkeiten bringen könnten, nicht ganz sicher. Daraus und aus den Sanktionen des Westens gegen Russland versucht Nasarbajew, möglichst viel Kapital zu schlagen.

Zwar ist Kasachstan Gründungsmitglied der Eurasischen Union, die 2015 ihre Arbeit aufnehmen soll. Doch parallel verhandelt Astana mit China wie mit Europa über transkontinentale Energie- und Verkehrsprojekte unter Umgehung Russlands. Es geht sogar um die Einspeisung von Gas in die TANAP - die transanatolische Pipeline. Das von Moskau mit der Türkei angestrebte Bündnis, einschließlich einer Schwarzmeer-Pipeline zur Versorgung Südeuropas mit russischem Gas wäre dann Makulatur.

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