»Eine Partie mit Ramelow!«

»Bürokratopoly« empfiehlt sich als ironisches DDR-Pendant zu »Monopoly«

  • Lesedauer: 5 Min.

Soll die DDR-Vergangenheit nun auf dem Umweg über die Spielzimmer aufgearbeitet werden?
Durch das Spiel werden Menschen überhaupt erst motiviert, sich mal wieder mit dem Thema DDR zu befassen. Vor allem Lehrer berichten uns immer wieder, dass jene schließlich nicht ganz unwichtige Phase der jüngeren deutschen Geschichte im Unterricht immer weniger Raum einnimmt.

An den Schulen kommt die DDR immer seltener vor?! Das verblüfft uns: Eigentlich zeigt doch die jüngste Diskussion um die Regierungsbildung in Thüringen - wo die Partei DIE LINKE mit Bodo Ramelow zum ersten Mal einen Länderregierungschef stellt - , dass die DDR ein Daueraufreger ist.
Die Aufregung in den Medien hat nichts mit dem zu tun, was an den Schulen passiert. Es gibt Umfragen, bei denen Schüler und Studenten den Erich Honecker auf einem Foto identifizieren sollen, und bloß wenigen gelingt das. Walter Ulbricht erkennt fast niemand mehr, und wesentliche Eckdaten, die wichtig waren für die betreffende Epoche, sind kaum präsent. Als daher mein Projektpartner Martin Thiele und ich im Rahmen einer Ausstellung, die wir zur Spielkultur in der DDR realisiert hatten, mehr oder minder zufällig auf Bürokratopoly gestoßen sind, haben wir uns zu einem Relaunch entschlossen. Gerade Jugendliche stoßen, wenn sie gemeinsam spielen und entsprechend interagieren, auf Fragen, die sie sich vorher nie gestellt haben. Und ganz unkompliziert können spannende Gespräche entstehen.

Bürokratopoly

Die DDR polarisiert auch nach einem Vierteljahrhundert. Das hat erst jüngst wieder die arg einseitige Berichterstattung zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls demonstriert. Wie man sich der Geschichte des zweiten deutschen Staates auch ohne Furor, locker und mit Augenzwinkern nähern kann, führen der Berliner Michael Geithner mit seinem Projektpartner Martin Thiele vor: mit dem Spiel »Bürokratopoly«, eine Art DDR-Monopoly. Es entstand in Kooperation mit dem DDR Museum Berlin und der Agentur für Bildungskommunikation capito. Mit Michael Geithner (r.) sprach nd-Autor René Gralla.
 

Wie ergebnisoffen ist denn dieses von Ihnen beabsichtigte Gespräch? Das Spiel wurde von einem einstigen DDR-Oppositionellen kreiert, folgerichtig ist die Stoßrichtung doch von vorn herein festgelegt.
Ganz im Gegenteil: Bürokratopoly drückt keine Meinung auf. Klar, Vater des Spiels ist ursprünglich ein Mann, der sich gegen die damaligen Verhältnisse gestellt hatte. Aber das führt am Ende nicht zwangsläufig zu einer Einheitsmeinung in der Runde. Insbesondere bei Schülern nicht, die Bürokratopoly beispielsweise im Klassenverbund kennenlernen. Denn die werden nämlich angeregt, sich über die verschiedensten Aspekte der DDR Gedanken zu machen, und sich damit in die eine wie in die andere Richtung auseinander zu setzen.

Alle Spieler bei einer Partie Bürokratopoly wetteifern darum, Generalsekretär zu werden. Das Spiel- und Gewinnziel bekommt damit also durchaus auch eine entspannt ironische Wendung mit Augenzwinkern...
Ganz genau, der Umgang mit dem Spielthema ist absolut humorvoll. Und regt dazu an, sich mit der DDR und den Folgen total entkrampft zu beschäftigen.

Das Spiel nimmt Anleihen beim populären Monopoly. Am Monopolytisch dreht sich allerdings alles ums Geld: Die Spieler versuchen, möglichst viele Immobilien zu erwerben, saftige Mieten zu kassieren und die Konkurrenz in den Ruin zu treiben. Was ist das Pendant dazu beim Bürokratopoly?
Der grundlegende Unterschied: Geld spielt im Bürokratopoly überhaupt keine Rolle. Vielmehr dreht sich alles um Einfluss und Machtpositionen: wie arbeite ich mich langsam nach oben, vom Arbeiter zum Abteilungs- und Bereichsleiter, dann rauf zum Direktor und so fort.

Und wie kann ich Generalsekretär werden, um das Match für mich zu entscheiden?
Sie müssen Verbündete suchen und Koalitionen schließen. Weil niemand weiterkommt, wenn jeder gegen jeden kämpft. Nur gemeinsames Vorgehen - und im richtigen Moment die Koalition wieder wechseln - bringt Sie voran. Und natürlich etwas Glück, die Würfel spielen auch eine Rolle.

Wie werden Absprachen getroffen, heimlich oder offen am Tisch?
Das ist den Spielern freigestellt. Sie können sich Zettelchen zuschieben oder den Raum verlassen. Meist werden Bündnisse aber offen verabredet, und das erhöht die Spannung. Konflikte und Reibungen machen den zusätzlichen Kick.

Kungelei und Postenverschieben sind ebenso typisch für die heutige Bundesrepublik. So dass Bürokratopoly neben der historischen Reminiszenz ja auch eine sehr aktuelle Komponente hat...
Das Spiel befasst sich zwar mit der DDR, aber es schließt natürlich nicht aus, dass jeder seine eigenen Vergleiche ziehen kann. Weil gewisse Parallelen zu früheren Machtstrukturen eben auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten manifest werden.

Aus dem konservativen Lager ist Bodo Ramelow, dem linken Ministerpräsidenten in Erfurt, vorgeworfen worden, mit ihm habe die alte SED die Macht zurückerobert, obwohl der Wessi Ramelow bekanntlich nie in der SED war. Vielleicht sollten Sie ihm das Spiel zukommen lassen, quasi als Anschauungsmaterial für die nächste Kabinettsrunde aus Vertretern von DIE LINKE, SPD und Grünen?!
Eine Partie mit Ramelow! Genau, die würde ich gerne mal mit ihm spielen! Mal sehen, ob er das Zeug zum Generalsekretär hat. (lacht)

»Bürokratopoly« bestellen: www.buerokratopoly.de

Gewinnziel Generalsekretär

Die spielerisch-ironische Systemkritik hatte sich zu DDR-Zeiten Martin Böttger ausgedacht, der heute für die Bündnisgrünen im Zwickauer Stadtrat sitzt. Im Zentrum des Spielplans ist der Posten des Generalsekretärs markiert, der von außen kommend über verschiedene Stationen erreicht werden muss. Dazu setzen die Teilnehmer (3 bis 9) jeweils fünf Spielfiguren ein. Pro Runde dürfen die Kandidaten unter verschiedenen Aktionen wählen, zum Beispiel können sie sich um den Posten eines Vorgesetzten bewerben oder meutern. Entsprechend rücken die Betreffenden vor oder fallen hinter die Konkurrenz zurück. Mit Hilfe von Aktions- oder Ereigniskarten wird der Marsch nach oben beschleunigt oder gebremst. Spieldauer: bis zu einer Stunde. gra

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