Kein Auftrag ohne Bestechung

62,5 Prozent der Korruptionsfälle spielen sich in der öffentlichen Verwaltung ab

550 Korruptionsstraftaten richteten im vergangenen Jahr in Brandenburg einen Gesamtschaden von rund 9,8 Millionen Euro an.

»Bei der Abwehr von Korruption hat Brandenburg noch großen Nachholbedarf«, findet Grünen-Landeschef Clemens Rostock. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Polizei 162 neue Korruptionsverfahren mit 550 einzelnen Straftaten. Hauptziel von Bestechungen blieb mit 62,5 Prozent die öffentliche Verwaltung. Den durch die Bestechungsfälle angerichteten Schaden schätzt die Polizei auf 9,8 Millionen Euro. Im Jahr 2012 hatte es 172 neue Korruptionsverfahren gegeben, bei denen es um einen Schaden von zusammen 9,6 Millionen Euro ging.

Welche Ausmaße Bestechung und Bestechlichkeit in Ostdeutschland schon kurz nach der Wende angenommen hatten, illustriert das Bekenntnis eines Ingenieurs, der sich mit einer Firma für Heizungsinstallationen und Klempnerarbeiten selbstständig gemacht hatte. Bereits Mitte der 1990er Jahre plauderte dieser Ingenieur im privaten Kreis aus, Aufträge von der öffentlichen Hand seien in seiner Heimat nur zu erlangen, wenn man dem zuständigen Mitarbeiter in der Stadtverwaltung einen Briefumschlag mit ein paar großen Geldscheinen diskret über den Schreibtisch schiebe. Auch in den Nachbarkommunen und in der Kreisverwaltung sei das nicht viel anders und jeder Bauunternehmer in der Gegend wisse dies. Ein Einzelfall? Ganz offensichtlich war es das nicht.

Aufsehen erregte im Oktober die Verurteilung des ehemaligen Technikchefs der Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH, Jochen Großmann. Das Amtsgericht Cottbus verdonnerte ihn wegen Bestechlichkeit und Betrugs zu einer Bewährungsstrafe.

Bei den Fallzahlen muss immer mit einer hohen Dunkelziffer gerechnet werden. Das ist auch zu bedenken, wenn angebliche oder tatsächliche Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung gemeldet werden.

Die Sensibilisierung für Korruptionsgefahren ist nach Ansicht von Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) eine Daueraufgabe für die öffentliche Verwaltung und die Privatwirtschaft. »Die Bürger müssen sicher sein können, dass alles mit rechten Dingen zugeht und ihre Anliegen objektiv und unparteiisch bearbeitet werden«, sagt er. »Jeder Zweifel an der Unbestechlichkeit ist Gift, das das Vertrauen in unseren Rechtsstaat zersetzen kann. Gegenüber Korruption darf es keine Nachsicht geben.« Der Minister hat auch die materiellen Schäden im Blick. Wenn die Auftragsvergabe dadurch bestimmt werde, dass Bestechungsgeld fließt oder andere Vorteile gewährt werden, »zahlen am Ende die Steuerzahler drauf, weil für Leistungen zu viel bezahlt wird oder schlechte Qualität für teures Geld abgeliefert wird«. Schröter betont, deshalb sei es wichtig, dass Fälle von Korruption erkannt und aufgeklärt werden.

Dass sich die Mehrzahl der bisher in Brandenburg aufgedeckten Bestechungsfälle in Behörden und staatlichen Einrichtungen abgespielt haben, erklärt Oberstaatsanwalt Frank Winter in erster Linie damit, dass die Aufmerksamkeit stärker auf der Verwaltung liege als auf der überwiegend kleinen und mittelständischen Wirtschaft. Winter ist sogar überzeugt, dass es tatsächlich in der Wirtschaft mehr Korruption gibt als im Staatsdienst. Seit 2012 regelt eine neue Verwaltungsvorschrift die Annahmen von Geschenken ganz genau. »Die Behörden führen inzwischen auch Risikobewertungen durch, an welchen Punkten sie für Korruption besonders anfällig sind«, erläutert der auf Korruptionsfälle spezialisierte Oberstaatsanwalt.

Nach Angaben des Städte- und Gemeindebundes hat etwa jede fünfte märkische Kommune einen Antikorruptionsbeauftragten bestellt. Zumindest für die kleineren Gemeinden sei ein solcher Aufwand jedoch zu groß, findet Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher. »Da kann man bei größeren Aufträgen besser gleich das Rechnungsprüfungsamt einschalten«, sagt er.

In den zurückliegenden Jahren sind sogar Bürgermeister bei der Vorteilsannahme und ähnlichen Fehltritten ertappt worden. Betroffen waren Kommunalpolitiker von fast allen großen Parteien und Parteilose.

Die Grünen fordern die Einführung eines Korruptionsregisters. Dort sollen Unternehmen und Personen eingetragen werden, die bereits durch Bestechung, illegale Beschäftigung, Verstöße gegen Wettbewerbsbestimmungen oder Schwarzarbeit aufgefallen sind. »Sie sollen künftig von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden«, erläutert der Landesvorsitzende Rostock. Dass im Fall von Technikchef Großmann erst ein holländisches Planungsbüro auf den Betrugsversuch aufmerksam machen musste, sei peinlich für die Flughafengesellschaft und ihren Aufsichtsrat. Die unternehmenseigene Aufsicht habe versagt, sagt Grünen-Chef Rostock. (mit dpa)

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