Wieder bieder

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Medienjahr voller Abschiede geht zu Ende. Abschied von der Gewissheit, Nachrichten müssten keine europäischen Kriege mehr vermelden. Abschied vom Glauben, die »Tagesschau« verkünde nur wirklich Mitteilenswertes. Abschied auch von Begleitern, die unvergänglich schienen: Wladimir Putin, Johann Westhauser und, nein, nicht Markus Lanz, sondern Blacky Fuchsberger. Der russische Präsident war zu oft, dies aber zu Recht, auf dem Bildschirm zu sehen, der verunglückte Höhlenforscher zu oft, dies aber zu Unrecht. Und der verstorbene Showmaster wird dort nun vollends fehlen, was der Glotze ein weiteres Stück Vergangenheit entreißt.

Das hat er mit Udo Jürgens gemeinsam. Sein Tod war gerade Anlass für diverse Hommagen, wofür es sensationelle Quoten gab, obwohl das Gezeigte erst kürzlich Premiere hatte. Fernsehen, das unbekannte Wesen. Einerseits. Andererseits hat es Seiten, die berechenbarer sind als Silvester, Feuerwerk, »Dinner for One« zusammen. »Tannbach« zum Beispiel, der nächste Geschichtsschinken rund um irgendwas mit Hitler. Ein Staraufgebot von Nadja Uhl über Heiner Lauterbach, Martina Gedeck, Ronald Zehrfeld bis hin zu Henriette Confurius und Jonas Nay spielt ab Sonntag Nachkriegszeit im geteilten Titeldorf nach. Und was zeigt das ZDF da? Kein Mut, kein Schwung, nur Langeweile in authentischer Kulisse. Selten begann das TV-Jahr so bieder.

Und bieder geht es zu Ende: Auch die Adaption von Noah Gordons »Medicus« überrascht am Montag und Dienstag im Ersten allenfalls mit den Zielgruppenstars Elyas M’Barek und Fahri Yardim an der Seite einer Hauptfigur, die gewohnt zu glatt ist für ihre Zeit. Kurzweilig, zugegeben. Aber drei Minuten nach dem Abspann vergessen. Dennoch darf der Blockbuster etwas, das sich der ARD-Verantwortliche Volker Herres immer dann aufs Strengste verbittet, wenn man mal Dokus zur Primetime fordert: das Programmschema sprengen. Dank des Mittelalterarztes fällt der anschließende Sachfilm aus.

Schon aus Protest sollte man daher den ganzen Tag 3sat sehen, wo der Themenabend »Hans und Heinz« ganz bewusst auf Tradition setzt: Mit den Herren Moser und Rühmann, denen der Kanal kurz nach sieben Uhr morgens 15 meist schwarzweiße Klassiker widmet. Alternativ könnte man das tun, was Silvester ohnehin ratsam ist: Nicht fernsehen! Am Neujahrstag gibt es dann ja Gelegenheit, die Kurzabstinenz auszugleichen. Etwa durch den »Tatort« mit Nora Tschirner und Christian Ulmen als Weimarer Ermittlergespann Dorn/ Lessing, das trotz des doofen Titels »Der Irre Iwan« überzeugt. So viel Witz schafft nicht mal Münster, geschweige denn das Saarland. Oder Garmisch-Partenkirchen, das einen anderen Krimi erlebt: das Neujahrsskispringen. Wenngleich es die ARD gewiss wieder zum nationalen Erweckungserlebnis hochjazzt wie den Gewinn der Fußball-WM, dessen filmisches Zeugnis »Die Mannschaft« (Freitag, 20.15 Uhr) belegt, dass Sportreportagen wie Traumschiffe ins Wohnzimmer schippern können.

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