Sachsen-CDU tönt am Stammtisch lauter

Generalsekretär Kretschmer macht nicht nur gegen Winter-Abschiebestopp Front / LINKE-Chef Riexinger empört

  • Vincent Körner
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Sachsen-CDU will in der Debatte über Flüchtlinge mit »klaren Positionen« punkten. Was das heißt? Kritik am Winter-Abschiebestopp und Ruf nach schnellerer Abschiebung. Die LINKE ist empört.

Erst waren es 500, dann wuchs die Anzahl der Mitläufer der rechten Pegida-Bewegung immer weiter. Vor einer Woche waren es dann bereits über 17 000 Menschen. Nun reagiert die CDU im Freistaat - auf ihre Weise.

Man wolle künftig wieder mit »klaren Positionen« in der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen, Islam und Asylrecht punkten, wurde am Wochenende der Generalsekretär der Landes-CDU, Michael Kretschmer, von der Nachrichtenagentur dpa zitiert. Eine Kommission soll die Zuwanderungspolitik kritisch untersuchen, so Kretschmer. »Wir wollen auch eine ehrliche Einschätzung liefern, welche Versäumnisse es gibt.«

Diese vermutet die CDU nicht etwa bei Äußerungen, die von den Pegida-Mitläufern als Ermutigung verstanden werden müssen - etwa die Pläne des sächsischen Innenministers Markus Ulbig für Sonderpolizeieinheiten, die sich ausschließlich um straffällige Asylbewerber kümmern sollen. Oder den jüngsten Vorstoß des CDU-Politikers, sich für die Einstufung Tunesiens als sogenanntes sicheres Herkunftsland stark zu machen.

Das ermöglicht eine schnellere Abschiebung nicht anerkannter Asylbewerber - und gab Ulbig die Gelegenheit, die Ressentiments gegenüber Menschen zu schüren, die von Not und Elend in die Flucht getrieben werden. »Wenn wir über Flüchtlinge reden, die wirklich verfolgt werden und in Not sind, gibt es in der Bevölkerung einen ganz großen solidarischen Konsens beim Thema Asyl«. Wenn jemand nur aus wirtschaftlichen Gründen komme, sei das anders. Motto: Gute Ausländer, böse Ausländer.

Hinzu kommt: Sachsen ist nach Einteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bisher als einziges Bundesland für die Aufnahme tunesischer Asylbewerber vorgesehen. Bis Ende Oktober 2014 wurden knapp 760 Tunesier mit Asylwunsch registriert, das sind gerade einmal rund 200 mehr als im gesamten Vorjahr. Wenn Anträge von Tunesiern schneller abgelehnt werden könnten, gebe es in den Asylbewerberheimen mehr Platz, erklärte Ulbig.

In einem im Internet kursierenden Forderungskatalog der Pegida-Bewegung wird »die Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung« gefordert. Bei den Aufmärschen äußerten sich Teilnehmer der Demonstration mit dem Ruf, angebliche Wirtschaftsflüchtlinge müssten schneller ausgewiesen werden.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hatte bereits dazu geraten, mit den »Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes« ins Gespräch zu kommen, auch, damit es nicht die Rechtspartei AfD tut. Die hat sich mit einigem Erfolg zum Fürsprecher der Aufmärsche gemacht. Und bedroht so auch die Wahlerfolge der CDU. Schon bei der Landtagswahl im vergangenen August hatte die Union die meisten Stimmen an die AfD abgeben müssen.

In diesem Lichte erscheint nun auch Kretschmers Ankündigung, sich wieder »klarer« dem Thema Asyl und Zuwanderung zuzuwenden. Der Umgang mit Flüchtlingen gehörte in Deutschland zu den sensibelsten Themen. »Daran entzünden sich schnell heftige Debatten in der Politik wie auch an den Stammtischen«, so der Generalsekretär. Die Sachsen-CDU werde die Unterschiede der eigenen Positionen dazu gegenüber denen der anderen Parteien deutlicher benennen müssen.

Was das heißt, demonstrierte Kretschmer am Samstag: Er warf den Landesregierungen in Thüringen und Schleswig-Holstein vor, mit dem dort praktizierten Abschiebestopp in den Wintermonaten einen »Rechtsbruch« zu begehen, »der die Aufnahmebereitschaft gefährdet«. Anders gesprochen: Die CDU behauptet, humanitäre Regelungen im Umgang mit Flüchtlingen würden deren Ablehnung in der Bevölkerung wachsen lassen, woraus Kretschmer aber nicht den Schluss zieht, etwas gegen rassistische Vorurteile zu unternehmen - sondern gegen die humanitären Maßnahmen. Für ihn stehe fest, dass die Ausweisungsverfahren beschleunigt und Menschen ohne Asylanspruch die Bundesrepublik schneller wieder verlassen müssten, gibt die Nachrichtenagentur den Generalsekretär wieder.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, reagierte darauf empört. »Wer in Sachsen gegen Nazis demonstriert, wird angeklagt. Wer gegen Flüchtlinge hetzt, bekommt Verständnis und erreicht Rechtsruck«, sagte er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit Blick auf Strafverfahren gegen Antifaschisten. Er erinnerte zudem an die Demonstrationen gegen die Agenda 2010 im Jahr 2003, als Hunderttausende gegen Sozialabbau auf die Straße gingen. Diese Menschen habe man »Unbelehrbare genannt«, so der Linkenpolitiker. »Wenn 20 000 Rechte marschieren, springt die CDU.«

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