ISAF packt ein, der Krieg geht weiter

Brisante Enthüllung über US-Todeslisten - kamen Daten auch von deutschen Geheimdiensten?

  • René Heilig
  • Lesedauer: 2 Min.
Am Sonntag beendete die NATO formal die Mission ihrer International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan. Ab Januar beginnt die Nachfolgemission »Resolute Support«.

Mit einer militärischen Zeremonie in Kabul wurde der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan beendet. 13 Jahre lang waren ISAF-Truppen im Land, darunter Bundeswehreinheiten. Ab Januar beginnt die Nachfolgemission »Resolute Support«. Daran sind 13 500 Soldaten beteiligt, unter ihnen bis zu 850 Deutsche.

Bei einer Rede vor Soldaten lobte der ISAF-Kommandeur John Campbell die Fortschritte, die dank des Einsatzes der internationalen Truppen erreicht worden seien. Afghanistan sei sicherer und stärker geworden. Die Menschen hätten Hoffnung für die Zukunft, betonte US-General Campbell.

»Resolute Support« hat offiziell keinen Kampfauftrag mehr. Es sollen afghanische Sicherheitskräfte ausgebildet und beraten werden. Allerdings sollen die ausländischen Soldaten sowohl sich selbst als auch Verbündete mit Waffengewalt schützen.

Auch ISAF war als kurzfristige Unterstützungstruppe gedacht. Doch rasch entwickelte sich der Einsatz zu einem Krieg, bei dem keine Seite den Sieg erkämpfen konnte. Zunehmend wurde von der US-dominierten ISAF auf gezielte Tötungen mutmaßlicher Gegner gesetzt. Das »Targeting« erledigte die US-Task Force 373 in Zusammenarbeit mit Verbündeten.

Nun hatte der »Spiegel« offenbar Einblick in die Todesliste, die sogenannte Joint Prioritized Effects List (JPEL). Zeitweise seien über 750 Personen darauf verzeichnet gewesen. Die Liste zeige unter anderem, auf welch dünnen und teils willkürlich anmutenden Grundlagen die Besatzer Verdächtige als Todesziele nominierten. Viele waren Taliban der mittleren und unteren Ebene, manche gerieten nur auf die Liste, weil sie mit Drogen handelten.

Die Unterlagen sollen unter anderem aus dem Bestand des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden stammen. Sie zeigen, dass sich die NATO-Spezialkräfte bei ihrer Zielerfassung in erheblichem Maße auf technische Aufklärung verließen. So sei ein System der Stimmenidentifizierung genutzt worden, bei dem es ausreichte, wenn ein Verdächtiger sich in einem überwachten Gespräch einmal namentlich identifizierte. »Predator«-Drohnen und mit Sensoren ausgerüstete britische »Eurofighter« suchten dafür nach bekannten Mobiltelefonnummern. Innerhalb der folgenden 24 Stunden galt diese Stimmenerkennung als »positive Zielidentifizierung« und damit als Legitimation für einen Luftschlag. Dabei sei es auch zu Verwechslungen und zum Tod von Zivilisten gekommen.

In dem Zusammenhang werden erneut Fragen zu Datenlieferungen durch deutsche Dienste, vor allem des in der Region sehr engagierten BND interessant. Angeblich wurde im Bundeswehr-Einsatzführungskommando in Potsdam darüber entschieden, wen die Deutschen auf die JPEL-Listen setzten. Die endgültige Genehmigung erteilt das ISAF-Hauptquartier in Kabul, in dem deutsche Offiziere stets Schlüsselpositionen innehatten. Seite 4

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