nd-aktuell.de / 31.12.2014 / Politik / Seite 7

Kubanisches Kino ist der Ort der Debatte

Die kubanischen Filmemacher trugen seit der Revolution 1959 dazu bei, mit dem Kino einen Ort zu schaffen, wo Debatten zwischen den Kulturschaffenden und der politisch-ideologischen Leitung der Revolution konstruktiv geführt wurden. Filme wie PM (Orlando Jiménez Leal und Sabá, 1961), Alicia en el pueblo de Maravillas (Daniel Díaz Torres, 1990), Guantanamera (Tomás Gutiérrez Alea, 1995) oder Suite Habana (Fernando Pérez, 2003) sind einige der Produktionen, die Polemiken im Kulturbetrieb hervorgerufen haben. Selten war die Ästhetik Stein des Anstoßes.

Die periodisch auftretenden Debatten, die im ärgsten Falle in Verbote führten, wie es bei PM oder Alicia ... war, sind Eingriffe in die Meinungsfreiheit. Ohne Zweifel. Dennoch blieb die Filmproduktion, die bis vor einigen Jahren fast ausschließlich über das staatliche Filminstitut ICAIC lief, in ihrer Mehrheit kritisch-provokativ. Seit Alicia ... gab es keine weitreichenden Verbote für sozialkritische oder vermeintlich konterrevolutionäre Filme. Das bezeugen auch die neuesten kubanischen Filme, die im Internationalen Festival des Lateinamerikanischen Films 2014 in Havanna gezeigt wurden.

Umso unverständlicher mutet der Fall um den Film Regreso a Ítaca an, der trotz Ankündigung im Festivalkatalog ohne offizielle Erklärung kurzfristig aus dem Programm genommen wurde. Der vom französischen Regisseur Laurent Cantet gedrehte Film basiert auf einer Episode des Romans La novela de mi vida (dt. Die Palme und der Stern) des kubanischen Schriftstellers Leonardo Padura, der auch am Drehbuch mitschrieb. Der Film behandelt unter anderem die Exilthematik Kubas.

Für die Präsentation des Films in Kuba setzt sich die g-20 vehement ein. Die g-20 konstituierte sich im Mai 2013, als sich rund 80 Filmemacher spontan im Cafe »Erdbeer und Schokolade« in Havanna versammelten, darunter etwa der Filmnationalpreisträger Manuel Pérez Paredes. Grund dafür war: Das Institut soll umstrukturiert werden, ohne aber die Filmschaffenden daran teilnehmen zu lassen.

Die Widersprüche im kubanischen Kulturapparat sind nicht überwunden. Ob mit Alfredo Guevara, Gründer des ICAIC. der bis kurz vor seinem Tod 2013 dem Filmfestival präsidierte, eine Epoche zu Ende ging, ist offen. Bis zu Redaktionsschluss gab es noch keine offizielle Stellungnahme. Ute Evers