nd-aktuell.de / 03.01.2015 / Kultur / Seite 19

Wolfgang Fritz Haug, Philosoph

Über die »Wende« ist viel geschrieben worden. Vor allem aus dem Rückblick, in dem die Geschichte immer schon als vollendete erscheint. Ganz anders: Wolfgang Fritz Haugs »Versuch beim täglichen Verlieren des Bodens unter den Füßen neuen Grund zu gewinnen«. Sein »Perestroika-Journal« hatte der marxistische Philosoph und Verleger aus dem Westen als skizzenhaften Nachläufer einer Studie über das politische Denken Michail Gorbatschows angelegt, die im Frühjahr 1989 fertig geworden war. Nun wollte Haug, der die Zeitschrift »Das Argument« mitbegründete, »den realen Prozess« verfolgen: Es wurde ein Tagebuch nicht zuletzt der Ereignisse in der DDR über die Jahreswende 1989/1990 hinaus. Haug, 1936 in Esslingen geboren, blieb nicht nur Beobachter. Der Philosoph nahm an der einen oder anderen Bürgerversammlung teil, schaute sich via Medien den Runden Tisch an und - das macht das besondere am »Perestroika-Journal« aus - schnitt die rasende Realität immer mit politisch-ökonomischen Überlegungen und philosophischen Kurzbetrachtungen aus westlinker Sicht gegen. Die Vorgänge im Osten werden dabei auch zur Messlatte für den real existierenden Kapitalismus im Westen. Eintrag vom 28. November 1989: »Die demokratische Revolution in der DDR feiernd, vergessen unsere Meinungsherren nicht, auf das Mitspracheverlangen der ›sogenannten gesellschaftlichen Kräfte: der Gewerkschaften, der Kirchen ...‹ im eignen Land einzudreschen. Die FAZ erklärt ihnen ihre ›Unzuständigkeit‹, wie die alte SED bis vor kurzem den entsprechenden Kräften.« Der 28. November war übrigens jener Tag, an dem der »Aufruf für unser Land« für eine eigenständige Alternative in der DDR veröffentlicht wurde - am selben Tag stellte Helmut Kohl in Bonn seinen Zehn-Punkte-Plan vor. Haug in seinem Tagebuch: »Auf der Leipziger Montagsdemo gingen die Emotionen ins Nationalistische, gefährlich auch für alle oppositionellen neuen Gruppen.« tos

Literatur:

Das »Kapital« lesen - aber wie?[1]
Einführung ins marxistische Philosophieren[2]
Dreizehn Versuche, marxistisches Denken zu erneuern[3]
Hightech-Kapitalismus in der grossen Krise[4]
Vorlesungen zur Einführung ins Kapital[5]

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