nd-aktuell.de / 03.01.2015 / Kultur / Seite 20

Ingrid Köppe, gnadenlos Aufrechte

Am Zentralen Runden Tisch in der DDR zog Ingrid Köppe unwillkürlich Aufmerksamkeit auf sich. Die damals 31-Jährige ließ nicht locker bei Befragungen, wusste offenkundig genau, wo inmitten des Labyrinths von Interessen und Abneigungen der Hauptweg verlief zum Ziel der Veranstaltung. Damals, Ende 1989, Anfang 1990, war sie Sprecherin des Neuen Forums am Runden Tisch. Sachlich und kompromisslos - mit dieser Mischung hat sie in ihrem Leben immer wieder Eindruck gemacht und Druck geerntet. Als Lehrerstudentin in Güstrow (Russisch und Deutsch) hatte sie sich 1976 der für zukünftige Lehrer obligatorischen Parteilinie der SED verweigert, indem sie die Ausbürgerung Wolf Biermanns kritisierte. Sie brach das Studium ab.

Köppe beteiligte sich an Aktionen der Friedensbewegung in der DDR, 1989 an Aktionen gegen die Fälschung der Kommunalwahlen. Als die Wende kam, war sie bei der Besetzung der Stasizentrale dabei, die Hausbesetzerszene sah sie auf ihrer Seite. 1990 zog sie auf der Liste von Bündnis 90/Grüne in den Bundestag, wurde innenpolitische Sprecherin der Gruppe. Und wieder führte ihr geradliniger Kurs direkt an eine Wand. Drei Jahre lang widmete sie sich in einem Untersuchungsausschuss den Hintergründen des geheimdienstlich organisierten DDR-Unternehmens »Kommerzielle Koordinierung« (KoKo). Als weder deren Verbindungen zu Westfirmen noch zu westlichen Regierungs- und Geheimdienstbehörden aufgearbeitet wurden, fertigte sie einen eigenen, von der Ausschussmehrheit abweichenden 160-Seiten-Bericht an, der unverzüglich zur Geheimsache gestuft wurde. In einer Bundestagsdebatte warf Köppe den Bundesregierungen unter Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl Versagen sowie Mitwisserschaft vor. Weil Köppes Bericht trotz Geheimhaltung öffentlich wurde, fiel der Verdacht auf sie. Ermittlungen folgten, nebst zwei Hausdurchsuchungen unter teilweise dubiosen Umständen.

Als Präsident Roman Herzog ihr das Bundesverdienstkreuz für die Tätigkeit in der DDR-Bürgerrechtsbewegung verleihen will, lehnt sie ab. Schließlich werde sie soeben als Straftäterin verdächtigt. 1994, nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag, kehrte Köppe der Politik den Rücken. Strikt verweigert sie sich seither auch Journalisten. Ihrer Bestimmung kann sie jetzt vielleicht am besten folgen. Sie ist mittlerweile Rechtsanwältin und lebt recht abgeschieden im brandenburgischen Oderbruch. uka