nd-aktuell.de / 07.01.2015 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 16

Biosiegel zeitweise futsch

Pestizide im Öko-Tierfutter nachgewiesen

Haidy Damm
Mehrere Höfe dürfen ihre Produkte nicht mehr als »Bio« deklarieren, weil Futter mit Pestiziden verunreinigt war.

22 Höfe in Mecklenburg-Vorpommern, zwei weitere in Niedersachsen - der Skandal um verunreinigte Bio-Futtermittel geht im neuen Jahr weiter. Bei Kontrollen wurden Reste von Pflanzenschutzmitteln gefunden, die betroffenen Landwirte dürfen ihre Produkte für sechs Wochen nicht mehr mit dem Bio-Siegel verkaufen. Zu den gesperrten Höfen gehören Legehennenbetriebe und Tierhaltungen. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern soll das Futter an 30 Betriebe ausgeliefert worden sein. In Niedersachsen sind zwei Legehennenhöfe im Weser-Ems-Gebiet betroffen, teilte das Landwirtschaftsministerium in Hannover am Dienstag mit. Die Behörden halten derzeit im Hafen von Brake rund 900 Tonnen Futter fest, knapp 2000 Tonnen belastetes Bio-Futter wurden aber schon größtenteils verfüttert. Schleswig-Holstein ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht betroffen.

Die Ursache der Kontaminierung liegt allem Anschein nach in Bio-Sonnenblumenpresskuchen, der aus der Ukraine stammt und über Rotterdam an verschiedene Futtermittelunternehmen geliefert wurde. Konventionell hergestellte Sonnenblumenkerne werden nach der Ernte gebeizt, also mit Pestiziden behandelt. Futter für den Bioanbau darf aber nicht aus der konventionellen Landwirtschaft stammen.

Erst Mitte Dezember hatten die Behörden die Auslieferung von Bio-Eiern aus Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen wegen pestizidbelasteter Futtermittel aus der Ukraine gestoppt. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums sind die im Dezember gesperrten Höfe diesmal nicht betroffen.

Von einer Gesundheitsgefährdung der Verbraucher gehen die Landwirtschaftsministerien nicht aus. In den Proben der Eier hätten in keinem Fall Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nachgewiesen werden können.

Der Schweriner Landwirtschaftsminister Till Backhaus kritisierte die Bio-Branche: »Der ökologische Landbau erleidet damit einen erneuten Rückschlag im Kampf um das Vertrauen der Verbraucher«, sagte der SPD-Politiker. Es gebe derzeit eine regelrechte »Entzauberung« des Bio-Marktes. »Die heile Welt im ökologischen Landbau findet lange nicht mehr statt.«

Sein niedersächsischer Ministerkollege Christian Meyer (Grüne) geht von einem »groben Verstoß gegen die Öko-Verordnung« aus. Die Verbraucherzentrale Niedersachsen hält einen absichtlichen Betrug für »wahrscheinlich«, heißt es in einer Mitteilung. Die Behandlung von Sonnenblumenkernen mit den entdeckten Mitteln sei im konventionellen Bereich üblich.

Nach Ansicht von Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, zeigt der Fall, dass die Kontrolle der Ökobranche funktioniert. Dass ein Produzent unwissentlich verunreinigtes Futter kaufe, lasse sich nicht generell ausschließen.

Gleichzeitig nimmt auch in der Legehennenhaltung der Biobranche die Tierzahl zu. Agrarpolitiker fordern deshalb bei der Revision der EU-Öko-Verordnung eine stärkere Begrenzung, damit die Betriebe ihr Futter überwiegend selbst erzeugen können. Futtermittel haben einen Anteil von 70 Prozent an den Gesamtkosten.

Für Reinhild Benning, Agrarexpertin des Umweltverbandes BUND, liegt eine weitere Ursache im Preiskampf der Discounter, die Druck auf die Produzenten ausüben. »Der Bio-Handel wird in diese Abwärtsspirale hineingezogen«, so Benning gegenüber »nd«. Sie forderte eine gesetzliche Dumpingbremse von der Bundesregierung.