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Elvis lebt - vielleicht

Hinter der entsprechenden Tür im Landtag ist weder Rock 'n' Roll noch sonst etwas zu hören

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor Jahren wurde in Potsdam der »papierlose Landtag« (Elvis) geplant. Viel mehr als ein Türschild ist daraus bisher nicht geworden.

Der 80. Geburtstag der Rocklegende Elvis Presley ist gerade ausgiebig gewürdigt worden. Kaum bekannt ist dagegen, dass auch der brandenburgische Landtag einen Elvis hat. Auch der ist in die Jahre gekommen, aber niemand weiß so recht, ob er noch lebt oder schon tot ist.

Vor rund zehn Jahren, es muss Anfang der vierten Legislaturperiode gewesen sein, keimte im Parlament der Gedanke, einen alten Zopf abzuschneiden und sich mit dem Titel »erster papierloser Landtag Deutschlands« zu schmücken. Eintauchen wollte das Hohe Haus mit Billigung aller Abgeordneten in die schöne neue Welt der ausschließlich elektronischen Datenverarbeitung. Papier, Akten, Ordner, Schnellhefter, Klammeraffen, Heftklammern - all die Attribute des verstaubten, verklecksten Büros sollten der Vergangenheit angehören. Das geplante elektronische Informations- und Vorgangsbearbeitungssystem wurde von einem findigen Beamten »Elvis« getauft.

»Elvis« hatte ein Vorbild, den Landtag des österreichischen Bundeslandes Steiermark, wo die Papierfreiheit angeblich schon ausgerufen worden war. Eine Spezialfirma, die den papierlosen Landtag dort eingeführt hatte, sollte nun auch in Potsdam für den Fortschritt sorgen und Brandenburg mal wieder in die Spitzengruppe befördern. Munter ging man ans Werk. Die Verwaltung und die Fraktionen füllten lange Wunschzettel aus. Denn »Elvis« sollte inhaltlich, verwaltungstechnisch und ästhetisch befriedigen. Eine Ausschreibung des Projektes fand statt, die Telekom bewarb sich und wurde als Generalauftragnehmer berufen, gemeinsam mit dem Steiermark-erfahrenen Unternehmen die Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Abgeordnete reisten in die Steiermark. Denn wenn man sich von den Vorteilen der neuen Technik überzeugen will, so kann man das nicht vom Büro aus. Da reichte der Bildschirm plötzlich nicht. Nein, da wollte man sich schon die frische Alpenluft um die Nase wehen lassen. Der Start für »Elvis« in Potsdam wurde auf den Beginn der fünften Legislaturperiode anberaumt, das war 2009.

Das Jahr verging, aber wer nicht kam, das war »Elvis«. Die Spezialfirma ging inzwischen Pleite. Die Telekom wollte nun allein »Elvis« durchsetzen, unternahm einen Neuanlauf. Wieder schwelgten die Abgeordneten in Wünschen und fantasierten von den großartigen Möglichkeiten, die »Elvis« ihnen bieten würde. Vor einem Jahr zog das Projekt gemeinsam mit dem gesamten Parlament vom alten Landtagsgebäude auf dem Potsdamer Brauhausberg mit hinab ins Landtagsschloss auf dem Alten Markt. Mit dem Verweis auf »Elvis« wurden bei der Gelegenheit auch gleich die Arbeitsplätze der Abgeordneten modernisiert. Das ist nur ein Teil des Geldes, dass die Geburtshelfer von »Elvis« benötigten. Inzwischen gehören modernste Computer und Laptops zur Grundausstattung der Abgeordneten, die einstmals in ihren Büros nur einen Schreibtisch und ein Telefon vorgefunden hatten. Im Herbst 2014, mit Beginn der 6. Legislaturperiode, sollte für »Elvis« die Testphase starten.

Davon ist keine Rede mehr. Eine Testphase gab es nicht. Und einen neuen Termin für den »Elvis«-Start gibt es auch nicht. Läuft man im neuen Landtag den Verwaltungstrakt entlang und so lange, bis es nicht mehr weitergeht, dann stößt man auf ein kleines Zimmer, das die Aufschrift »Elvis« trägt. Dahinter aber regt sich nichts. Totenstille.

Was aus »Elvis« wird, weiß man nicht. Ist Elvis gestorben oder ist er überhaupt noch nicht geboren? Einen konkreten Termin für die Eröffnung des Großflughafens in Schönefeld gibt es ja auch noch nicht. Wer mag das alles entscheiden?

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