nd-aktuell.de / 12.01.2015 / Brandenburg / Seite 12

Preußen für Purzelchen

GELESEN

Andreas Fritsche

Das gibt es alles schon über Preußen: Reiseliteratur, Architekturführer, Bildbände, historische Schinken, sogar Kriminalromane und Kochbücher. Nun auch noch »Das große Preußenbuch für Kinder«, das in Wahrheit übrigens ziemlich schmal ist. Wozu?

Vielleicht, damit sich Papa oder Mama im Museumsshop der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ganz in Ruhe ein Sachbuch, einen Krimi oder ein Kochbuch aussuchen können, nachdem sie den quengelnden Nachwuchs mit diesem Mal- und Rätselheft ruhig gestellt haben. Aber leistet das Preußenbuch darüber hinaus einen wertvollen Beitrag zur Bildung? Darf man diesen Titel Eltern wärmstens empfehlen?

Falls ihnen eine künstlerische Karriere ihres Sprösslings vorschwebt, dann vielleicht. Schließlich gibt es im großen Preußenbuch viel Raum zum Kritzeln und Basteln. Da können die lieben Kleinen dem Alten Fritz zwischen Uniform und Perrücke ein Gesicht hineinzeichnen oder der Prinzessin Luise das Kleid. Mit dem Buntstift sind auch das Kinderzimmer des späteren Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm im Schloss Königs Wusterhausen zu möblieren, der Schlosspark Babelsberg zu bepflanzen, die Mustertapete von Schloss Paretz zu gestalten oder die Zuhörer des Flötenkonzerts Friedrichs II. zu ergänzen.

Ein bisschen Wissen wird auch vermittelt, beispielsweise über die Sütterlinschrift und die Entdeckungsreisen des Alexander von Humboldt. Eine Karte zeigt: So groß war Preußen 1866, größer als die Bundesrepublik heute. Pommern, Ost- und Westpreußen sowie Schlesien - »das gehört heute zu Polen«, verrät ein Hinweispfeil. Nun ja, ein Stück davon auch zu Russland, weiß der besser informierte Betrachter. Wenn das Kind kommentarlos den Weg der Fregatte »Markgraf von Brandenburg« zur Kolonie Groß Friedrichsburg in Afrika finden soll, müssen politisch korrekt denkende Eltern womöglich schon schlucken, bestimmt jedoch, wenn eine Seite weiter erschreckend harmlos die Funktionsweise einer Kanone erklärt wird. Was der Kanonier vorn hineinsteckt, das ist kein Abfall und keine Praline, erfährt Purzelchen dort bei einer von zehn Quizfragen. Angebracht wäre noch eine Frage elf: Was richtet so eine Kanonenkugel an, wenn sie abgefeuert wird und ihr Ziel trifft?

Wer Kindern neben Errungenschaften wie der Kartoffel solche Schattenseiten der Preußenherrschaft wie den aggressiven Militarismus nicht zumuten will, sollte besser gar keine Kinderbücher über Preußen machen. Zum Glück ist das »große Preußenbuch für Kinder« nicht gänzlich frei von kritischer Distanz: »Kaum zu glauben! Ganz früher sind viele Kinder nie zur Schule gegangen. Aber so toll war das eigentlich nicht, denn dafür mussten sie von klein auf schon arbeiten und Geld verdienen. Erst im Jahr 1717 führte der König von Preußen die Schulpflicht für alle Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren ein.«

Manche fragwürdige Aufgabestellung wird auch mit Humor entschärft. So dürfen Mädchen und Jungen die beiden Langen Kerls bedenkenlos ausschneiden und »wie eine Eins« in der Wohnung herumstehen lassen. Die zwei Leibgardisten ziehen so eine Fresse - besser lässt sich soldatischer Mummenschanz eigentlich nicht karikieren. Handwerklich ist das Buch perfekt gemacht.

Claas Janssen: »Das große Preußenbuch für Kinder«, be.bra verlag, 64 Seiten (brosch.), 9,95 Euro